Vor allem wegen Budgetkürzungen fürchten bis zu 2000 Deutschtrainer für Flüchtlinge um ihre Jobs.
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Wien. Ihr Job ist wahrlich kein Honigschlecken: Oftmals bis zu neun Stunden Unterricht in Folge, manchmal in zwei Kursen parallel, kaum Zeit für Pausen, zusätzlich noch administrative Tätigkeiten und Überforderung durch teils kriegstraumatisierte Kursteilnehmer. Zahlreiche AMS-Deutschtrainer, die für private Institute im Auftrag des AMS auch Asyl- und subsidiär Schutzberechtigen Deutsch beibringen sowie für die Wertevermittlung zuständig sind, machten in der Vergangenheit auf ihre Arbeitsbedingungen und auf Missstände bei den Deutschkursen aufmerksam (die "Wiener Zeitung" berichtete ausführlich). Seit der Flüchtlingsbewegung 2015 wurden - vor allem auf Betreiben des damaligen ÖVP-Integrationsministers Sebastian Kurz - Ausschreibungen und Kurskapazitäten der privaten Institute wie Ibis Akam, Mentor, ZIB Training oder BIT massiv ausgebaut.
"Dort wo Asyl endet, beginnt die Integrationsarbeit", sagte der jetzige Bundeskanzler 2015, bei der Vorstellung seines Integrationsplans. Deutschkurse als Schlüssel zu Arbeitsmarkt und Integration - inklusive Wertevermittlung. Jetzt droht Tausenden Deutschtrainern die Kündigung.
"Wir sind Integrationsarbeiter an forderster Front", sagt Katharina Rohrauer, Deutschtrainerin und Betriebsrätin beim Institut "Mentor". Gemeinsam mit Daniela Holzinger und Alma Zadic von der Liste Pilz forderte Rohrauer am Mittwoch vor Journalisten die Regierung auf, den "Kahlschlag" beim AMS und bei den Integrationsmitteln zu stoppen sowie die Finanzierung von zentralen AMS-Aufgaben sicherzustellen.
Unklare Zukunft für Kurse
Für das laufende Jahr kürzte die Regierung die AMS-Integrationsmittel um 50 Prozent - statt 100 Millionen stehen nun 2018 nur mehr 50 Millionen Euro zur Verfügung. Für 2019 sieht das Budget dann gar keine AMS-Mittel für Integration vor. Auch bei der Beschäftigungsförderung muss das AMS auf 80 Millionen Euro verzichten. "Damit kommt die Unterstützung von rund 33.000 beim AMS vorgemerkten anerkannten Flüchtlingen ab Mitte 2018 zum Erliegen", sagt die Liste Pilz. Von 72 bei Mentor nach dem Kollektivvertrag angestellten Deutschtrainern seien rund 40 vom Jobabbau betroffen, sagt Deutschtrainerin Rohrauer. "Bis Juli erwarten 20 bis 30 meiner Kollegen die Kündigung."
In der Gewerkschaft der Privatangestellten (GPA) bestätigt man die Kündigungspläne. "Von einem Kahlschlag kann man zwar nicht sprechen, wohl aber von einer ziemlich heftigen Schneise", sagt Karl Dürtscher, stellvertretender GPA-Bundesgeschäftsführer. "Wir gehen von 1500 bis 2000 Kündigungen für 2018 und 2019 aus." Zwar würden die Asylwerber-Zahlen deutlich zurückgehen, durch den Rückstau und der nach wie vor langen Dauer der Asylverfahren müsse sich das AMS aktuell sogar um mehr Asylberechtigte kümmern, als in den vergangenen Jahren.
"Der Großteil der anstehenden Kündigungen ist sicher der Budgetkürzung geschuldet. Hier die Mittel zu kürzen ist sinnlos, denn die Wirtschaft sucht Arbeitskräfte", sagt der Gewerkschafter. Auch hinsichtlich der Debatte um den Sozialstaat übt Dürtscher heftige Kritik: "Einerseits heißt es oft, es liegen uns zu viele Flüchtlinge auf der Tasche. Andererseits verhindert man durch die Einschnitte bei den Deutschkursen erst recht die Integration auf dem Arbeitsmarkt." Die GPA werde sich nun ebenfalls für die von den Deutschtrainern und der Liste Pilz geforderte Arbeitsstiftung einsetzen, sagt Dürtscher.
Im AMS sieht man die Situation nicht ganz so drastisch. "In die bereits vergebenen und laufenden Aufträgen der Deutschinstitute wird dem Volumen nach nicht eingegriffen, die Kurse werden aber so lange als möglich gestreckt", sagt der Sprecher des AMS Wien, Sebastian Paulick.
"Fakt ist aber, dass wir eben weniger Mittel zur Verfügung haben werden." Paulick weist allerdings darauf hin, dass das Auslaufen der Verträge mit den Instituten noch nicht die Aufsichtsgremien des AMS Wien passiert habe. Zudem habe man sehr wohl die Trainer im Auge, deren Situation so weit als möglich erleichtert werden soll: "Dort, wo es möglich ist, werden die laufenden Kurse der Institute zeitlich gestreckt", sagt Paulick. Sprich, die Laufzeiten der Kurse werden verlängert, jedoch ohne zusätzliches Geld. In manchen Instituten reicht das jedoch nicht. Von 255 beim Institut IP-Center in Meidling beschäftigten Trainern sind nach Informationen der "Wiener Zeitung" bereits 199 über das AMS-Frühwarnsystem zur Kündigung angemeldet.
Wo aber sollen anerkannte Flüchtlinge künftig Deutsch lernen? Schließlich schreibt das von Sebastian Kurz unter Rot-Schwarz eingeführte Integrationsjahr das Absolvieren von Deutschkursen verpflichtend vor. Schon jetzt übernehme der Österreichische Integrationsfonds (ÖIF), nunmehr beim Außen- und Integrationsministerium unter Karin Kneissl angesiedelt, einen Teil der angebotenen Deutschkurse, heißt es aus dem AMS. Es sie nicht ausgeschlossen, dass das AMS entbunden wird und der OIF zur Gänze übernimmt. "Wie es dann weitergehen wird, wissen wir noch nicht", sagt AMS-Wien-Sprecher Paulick. Schließlich stünde eine politische Entscheidung an.
Liste Pilz und Deutschtrainerin Rohrauer geht es aber nicht nur um die Deutschtrainer. Rund 25.500 positive Asylentscheidungen habe es im vergangenen Jahr gegeben, sagt Alma Zadic. Sie alle werden in Kürze nach Arbeit suchen. Über 32.000 Asylberechtigte sind zur Zeit beim AMS arbeitssuchend gemeldet oder befinden sich in Schulungen.
"Wir sind nicht nur Deutschtrainer, wir sind Freunde, Berater, Reibungsfläche für unsere Klienten", sagt Katharina Rohrauer. "Gibt es uns nicht mehr, verlieren Tausende der anerkannten Flüchtlinge ihren einzigen Anknüpfungspunkt in Österreich".
Aus für Ausbildungsgarantie?
Als täglich mit Flüchtlingen konfrontierte Deuschtrainerin wolle sie das in der Öffentlichkeit entstandenen Bild korrigieren. "Stellen sie sich vor, die gesamte österreichische Mittelschicht ist plötzlich in einem Land, das sie nicht haben will: Ärzte, Krankenschwestern, Lehrer, Mechaniker und natürlich auch Leute mit nierigerem Bildungsstandard", sagt Rohrauer. "Ich unterstelle der Regierung, bewusst eine Vertiefung der Gräben in unserer Gesellschaft herbeizuführen, um dann weiter im Sozialsystem kürzen zu können", sagt Daniela Holzinger von der Liste Pilz. Ein Arbeitsplatz sei schließlich "der beste Platz für den Integrationsprozess".
Das Integrationsministerium wollte sich am Dienstag nicht zu Vorwürfen und Fragen äußern. Die Frage, ob und wenn ja, wie es mit den Deutschkursen weitergeht, bleibt vorerst offen.
Auch für auszubildende Jugendliche könnte ab 2019 eine öffentliche Stütze wegfallen. Wie die "Vorarlberger Nachrichten" am Mittwoch berichteten, sind im Doppelbudget 2018/19 nur für das laufende Jahr sowohl Ausbildungspflicht bei 18 als auch die Ausbildungsgarantie bis 25 budgetiert (42,1 bzw. 31 Millionen Euro). Ab 2019 ist offenbar nur mehr für die Finanzierung der Ausbildungspflicht gesorgt - die Ausbildungsgarantie bis 25 kommt im Budgettext gar nicht mehr vor. Dennoch heißt es im selben Budgetvoranschlag auch, dass man die Jugendarbeitslosigkeit durch die Ausbildungsgarantie senken wolle.