Biden wird zum neuen US-Präsidenten vereidigt, die Sicherheitsvorkehrungen sind enorm. Trump-Fans drohen mit Gewalt.
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In Washington D. C. herrscht Ausnahmezustand. Zahlreiche Straßen der Innenstadt sind gesperrt, Sicherheitskräfte haben Kontrollposten errichtet, die Behörden rufen die Menschen dazu auf, das Zentrum zu meiden.
Am heutigen Mittwoch, um 12 Uhr Ortszeit, wird Joe Biden vor dem Kongressgebäude zum 46. US-Präsidenten vereidigt. Das Kapitol ist großräumig mit Metallzäunen und Betonbarrieren abgeriegelt. Nachdem das ehrwürdige Parlamentsgebäude vor genau zwei Wochen von einem gewalttätigen Mob gestürmt worden war, liegen jetzt die Nerven blank. Jeder Stein wird umgedreht und überprüft - zumal rabiate Trump-Fans auf den sozialen Medien bereits mit neuen Angriffen gedroht haben.
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Die Beamten des Secret Service sind rund um die Uhr im Einsatz, um die Sicherheit Bidens zu gewährleisten. Dabei wird zu drastischen Mitteln gegriffen: Der Apartment-Vermittler Airbnb etwa hat alle Reservierungen im Großraum Washington in der Woche der Amtseinführung storniert. Die Polizei fordert alle US-Amerikaner auf, für die Vereidigung nicht nach Washington zu kommen. Die Hauptstadt selbst ist fest in demokratischer Hand, die wütenden Trump-Fans reisen vorwiegend aus dem Mittleren Westen an, um den vermeintlichen Wahlbetrug der Demokraten zu rächen.
"Amerika vereint" lautet das Motto der Zeremonie
Die grassierende Corona-Pandemie kommt den Sicherheitskräften jetzt entgegen; schon um eine Ansteckung zu vermeiden sind die Menschen aufgerufen, der Zeremonie nur via Fernseher beizuwohnen. Eine Menschenmenge auf der Mall, dem lang gestreckten Platz zwischen Kapitol und Lincoln-Denkmal, wird es diesmal nicht geben. 191.500 US-Fahnen sollen stattdessen auf dem weitgehend menschenleeren Platz flattern. Bei der Amtseinführung des damaligen US-Präsidenten Barack Obama war die Mall brechend voll gewesen, bei der Inauguration seines Nachfolgers Donald Trump nicht. Ein Umstand, den Trump 2017 als Schmach empfand und leugnete - so wie seine Wahlniederlage 2020.
Neben Tausenden Polizisten sind mehr als 20.000 Nationalgardisten im Einsatz, alle werden sie einzeln vom FBI überprüft. Das deshalb, weil einige Sicherheitskräfte, die das Kapitol schützen sollten, gemeinsame Sache mit den Randalierern gemacht hatten. Die "Washington Post" hatte zudem berichtet, das FBI gehe auch davon aus, dass sich Mitglieder rechtsextremer Gruppierungen als Nationalgardisten ausgeben könnten.
Die Zeremonie zur Amtseinführung Bidens wird ungewöhnlich und ist mit keiner vorangegangenen zu vergleichen. Dafür sorgt die Pandemie und ein Amtsvorgänger, der seine Wahlniederlage bis heute nur sehr indirekt eingestanden hat.
"Amerika vereint" lautet deshalb das Motto; Biden will das Land versöhnen und die Gräben überwinden. Um 18 Uhr unserer Zeit wird der 78-Jährige den Amtseid ablegen. Sämtliche großen TV-Stationen berichten weltweit. Bei seinem Schwur wird der Katholik Biden die Hand auf eine alte Bibel legen, die seine Urgroßeltern 1893 erworben haben.
Der 87 Jahre alte Jesuit Leo O’Donovan, ein langjähriger Freund der Familie Biden, soll das einleitende Bittgebet sprechen, der schwarze Pastor Silvester Beaman ist für den abschließenden Segen vorgesehen. Zuvor wird der wichtigste Republikaner im US-Senat, Mitch McConnell, gemeinsam mit Biden an einem Gottesdienst teilnehmen. Vereidigt wird bei der Zeremonie auch Vizepräsidentin Kamala Harris. Das neue Führungsduo wird danach einen Kranz am Grabmal des Unbekannten Soldaten am Nationalfriedhof Arlington niederlegen.
Die drei früheren Präsidenten Barack Obama, George W. Bush und Bill Clinton sind die prominentesten Gäste der Zeremonie. Sie sollen Biden und Harris zum Friedhof begleiten.
Lady Gaga singt die Nationalhymne
Der Amtseinführung fernbleiben wird Ex-Präsident Trump. Es handelt sich dabei um ein Statement, das einen großen Traditionsbruch darstellt. Trump ist der erste Präsident seit mehr als 150 Jahren, der an der Amtseinführung seines Nachfolgers nicht teilnimmt. Sein Stellvertreter Mike Pence hingegen wird sehr wohl dabei sein. Popstar Lady Gaga, die sich im Wahlkampf für Biden eingesetzt hatte, soll die Nationalhymne singen. Geplant ist ebenfalls ein Auftritt der Sängerin Jennifer Lopez.
Die scheidende First Lady Melania Trump hat sich zuletzt in einer Abschiedsbotschaft an die Amerikaner gewandt. "Es ist die größte Ehre meines Lebens gewesen, als First Lady der Vereinigten Staaten von Amerika zu dienen", sagte die 50-Jährige. "Die vergangenen vier Jahre sind unvergesslich gewesen." Sie rief dazu auf, angesichts der Corona-Pandemie vorsichtig zu sein und bat zudem darum, die von ihr ins Leben gerufene "Be Best"-Initiative zu unterstützen, die sich um das Wohl von Kindern kümmert. "Seien Sie leidenschaftlich in allem, was Sie tun, aber denken Sie immer daran, dass Gewalt niemals die Antwort ist und niemals gerechtfertigt sein wird", erklärte die Trump-Gattin.
Entgegen den Gepflogenheiten werden Biden und seine Frau Jill nicht von den Trumps im Weißen Haus begrüßt, sondern vom Chef des Haushaltspersonals.