Zentrale Koordinierungsstelle sorgte für Modernisierungsschub in der Verwaltung.
| Sicherheitslücken sorgen in der Wirtschaft für Kritik.
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Wien. "Zittre, du großes Österreich / vor deinen kleinen Beamten",
spottete der Dichter Eduard von Bauernfeld (1802-1890) einst über die schwerfällige Bürokratie der Habsburgermonarchie. Und tätigte damit eine Aussage, die eineinhalb Jahrhunderte lang ihre Anhänger fand. Heute kann davon freilich keine Rede mehr sein. Denn der Verwaltungsapparat ist inzwischen auf der Überholspur und galoppiert als e-Amtsschimmel mit Höchstgeschwindigkeit - sehnsüchtig beäugt von ganz Europa.
"Österreich ist der Spitzenreiter", lobte EU-Verwaltungskommissar Maros Sevcovic anlässlich seines Besuches der Verwaltungsmesse in Wien die heimische Verwaltung. Und stellte unumwunden die Forderung, "das österreichische Wunder in den Rest Europas zu bringen". Ein Wunder, das tatsächlich bemerkenswert ist – denn vor zehn Jahren war Österreich in Sachen e-Government (elektronischen Services der Waltung) nicht Vorreiter, sondern abgeschlagener Nachzügler.
Verfügbare und reife e-Government-Dienste
"Österreich war in der IT-Reihung des e-Government dreizehnter von fünfzehn", erinnert sich Reinhard Posch vom Bundeskanzleramt im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" an die ersten Erhebungen des "E-Government Benchmark" der EU-Kommission vor zehn Jahren. Heute freilich führt Österreich diese Liste an: Mit 100 von 100 möglichen Prozentpunkte bei Online-Verfügbarkeit und Reifegrad der grundlegenden elektronischen Bürgerservices kann Österreich im europaweiten Vergleich kein Land das Wasser reichen.
"E-Government funktioniert in Österreich auf mehreren Ebenen", erläutert Roland Ledinger, Leiter des Bereiches IKT-Strategie des Bundes. Sowohl der Bund, als auch Länder und kommunale Einheiten erweitern seit Jahren ihr digitales Angebot. "Wir haben 6.000 Online-Services bzw. Formulare für den Bürger, darunter Flaggschiffe wie FinanzOnline", so Ledinger im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Für Kunden ergäben sich daraus die Sekundäreffekte "Transparenz, schnellere Kommunikation und eine durchgängige elektronische Bearbeitung".
Schaulauf der Innovationsprojekte
Wie innovativ die Behörden aller Verwaltungsebenen in Sachen IT-Services agieren, stellte kürzlich die Verwaltungsmesse "Verwaltungsreform, what else?" unter Beweis. Neben dem Konzept einer "mobilen Bezirkshauptmannschaft", die Innsbruck präsentierte, war dabei beispielsweise auch das "wien.team", ein Facebook-Ersatz für den fachlichen Austausch der Mitarbeiter der Stadt Wien, oder die digitale Signatur per Handy, die das Bundeskanzleramt vorstellte, zu begutachten. Gemeinsam mit zahlreichen Besuchern konnte so auch Sevcovic einen Eindruck darüber gewinnen, wie moderne Verwaltung in Österreich aussieht. Und wie binnen weniger Jahre aus einem eGovernment-Schlusslicht ein Vorzeigeschüler werden kann.
"Es ist in Österreich nicht von ungefähr gelungen, diesen Push durchzuführen", verweist Posch auf die Schaffung einer zentralen zentralen Koordinierungs- und Planungsstelle: der "Plattform digitales Österreich". 2005 unter dem Vorsitz von Reinhard Posch im Bundeskanzleramt entstanden, legt die Plattform seither in enger Zusammenarbeit mit Bund, Ländern, Städten, Gemeinden und Kammern eine einheitliche e-Government-Strategie fest und bringt diese zur Anwendung. Ein integratives Konzept, dessen Erfolge nicht nur in der EU, sondern auch in der heimischen Wirtschaft für Anerkennung sorgt.
"Wir haben eine gut geordnete Bürokratie", zollt etwa Peter Kotauczek, Präsident der Österreichischen Softwareindustrie (VÖSI), der es selten an kritischen Worten an staatlichen Strukturen fehlen lässt, dem eGovernment-Angebot Respekt. "Die Republik ist in vielen Themen seit Jahren ‚front runner‘ in der IT-Ausrüstung der öffentlichen Verwaltung", so Kotauczek.
IT-Security im Zentrum der Aufmerksamkeit
Kritik regt sich in der Wirtschaft freilich angesichts der Datenverluste der vergangenen Monate. "Es gibt Sicherheitslücken, die anscheinend immer größer werden. Das ist aber nicht so, weil die Hackergemeinschaft aktiver geworden ist, sondern weil die Löcher größer geworden sind", bemängelt Kotauczek. "Man müsste teilweise große Relaunches machen, macht aber lieber Flickwerk", verleiht der VÖSI-Präsident seinem Ärger Ausdruck
"Die allgemeine Lage IT-Security der Behörden ist derzeit ernst und hoffnungslos", gibt auch Wieland Alge, Gründer des IT-Sicherheitsdienstleisters phion AG und Manager bei Barracuda Networks zu Protokoll. "Manche Behördenvertreter sagen , dass eigentlich eh alles passt, dass wir im Ausland bewundert werden. Dazu meine ich, dass wir sicher nicht dafür bewundert werden, dass wir permanent Daten verlieren", so Alge. Konkret werden immer wieder Versäumnisse in der Vergangenheit thematisiert. "Man kann und muß in Österreich Dinge zentralisieren und operativ homogenisieren. Man kann Standards festlegen und Audits machen", ist Alge überzeugt. "Warum geht der Bund nicht her und auditiert die Abteilungen? Man schickt ein Team und schaut, ob es sich Zugriff zu Daten verschaffen kann oder nicht", rät der Sicherheitsexperte.
Genau das betont die Verwaltung aber getan zu haben. "Wir haben aufgrund der Vorkommnisse ein ganzes Maßnahmenpaket gesetzt. Unmittelbar nach den Angriffen wurde das Krisenmanagement aktiviert, die Situation wurde bewertet und Sofortmaßnahmen beschlossen. Das waren zum einen technische Maßnahmen die beispielsweise Server betreffen, zum anderen wandten wir uns auch an die Mitarbeiter, für die wir Sicherheitsfolder in hoher Anzahl herausgaben und verteilten. Zudem empfahlen wir aktuelle Penetrationstests", erläutert Ledinger.
Dass die Datendiebstähle und Sicherheitslücken auch in der Verwaltung die Aufmerksamkeit für IT-Belange gestärkt hätten, räumt der IKT-Stratege allerdings ein: "IT-Security war schon immer ein wichtiges Thema", betont Ledinger, "Vielleicht war Anonymous aber hilfreich dabei, um die Awareness zu schärfen. Nach einem Autounfall werden Sie auch vorsichtiger fahren."
"Wir sind noch lange nicht am Ende der Maßnahmenkette, das wird ein immerwährender Prozess sein", gibt Ledinger zwar zu verstehen. Für die Zukunft sieht man sich in Sachen IT-Sicherheit jedenfalls besser gerüstet. Immerhin gilt es, den Spitzenplatz unter Europas Verwaltungssystemen zu verteidigen. Und dafür Sorge zu tragen, dass dem e-Amtsschimmel nicht die Puste ausgeht.