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An den kleinen Landwirten vorbei

Von Christian Rösner

Politik
Kleinbauern haben laut SPÖ weniger EU-Förderungen "geerntet" als landwirtschaftliche Großbetriebe, die angeblich vom Landwirtschaftsministerium bevorzugt wurden.
© © Ocean/Corbis

EU-Gelder für Innovationen im ländlichen Bereich flossen größtenteils in Wegebau und Agrar-Großprojekte.


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Wien. SPÖ und ÖVP streiten um die Agrarförderungen - konkret um das "Leader-Programm für innovative Entwicklungen im ländlichen Raum". Während die ÖVP bereits einen Wahlkampfstart der SPÖ vermutet, beruft man sich bei den Roten auf die deutliche Kritik des Rechnungshofes (RH).

Wie bereits mehrfach berichtet, stellt der RH der Umsetzung von Leader ein schlechtes Zeugnis aus: Zum einen seien die Mittel dafür zwischen 2007 bis 2013 mit 423 Millionen Euro gegenüber der Vorperiode auf das Vierfache angestiegen und hätten kaum Wirkung gezeigt - nicht einmal eine Verdoppelung der neuen Arbeitsplätze sei angestrebt worden, kritisiert der RH. Zum anderen hätten die Bundesländer im Zuge der Kofinanzierung mehr bezahlt, als für die maximale Ausschüttung der EU-Mittel nötig gewesen wäre. Außerdem sei die Fördervergabe intransparent gelaufen, so der RH.

"Man muss sich überlegen, ob man eine nachhaltige, biologische Landwirtschaft in Österreich haben will oder nicht", erklärt man beim Österreichischen Bauernbund dazu. Dass seit 2007 rund 741 Millionen Euro mehr ausgegeben wurden als von der EU für die vollständige Ausschöpfung der EU-Mittel gefordert, stört hier kaum. Geht es nach dem Bauernbund, könnte die nationale Quote nach finnischem Vorbild noch viel höher ausfallen. Denn die Förderungen würden für Qualität sorgen und als Konjunkturmotor wirken, heißt es aus dem Büro von Bauernbund-Präsident Jakob Auer. Innerhalb der ÖVP versteht man die Kritik von RH und SPÖ nicht. "Wenn die SPÖ die Bauern entdeckt, dann muss Wahlkampf sein", meint dazu Landwirtschaftsminister Nikolaus Berlakovich (ÖVP).

Finanzstaatssekretär Andreas Schieder (SPÖ) wiederum hat Berlakovich bereits zu Beginn der Woche einen "heißen Herbst" angekündigt und Klarstellungen zu den Vorwürfen des RH eingefordert. Den Vorwurf eines "Bauern-Bashings" vonseiten der ÖVP weist Schieder entschieden zurück. "Es gibt einen Rechnungshofbericht, der sagt, dass die Kofinanzierung zu hoch angesetzt ist. Das Landwirtschaftsministerium hat aber immer gesagt, das ist nicht so. Das ist der Grund unserer Kritik. Denn 740 Millionen Euro sind nicht nichts", erklärt Schieder im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Da rund 72 Prozent aller österreichischen EU-Rückflüsse dem Agrarbereich zuzuordnen seien, müsse einfach die Frage der Sparsamkeit, Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit gestellt werden.

Kaum Frauenprojekte

Für die SPÖ ist Leader eines der spannendsten und innovativsten Förderprojekte für den ländlichen Raum, versichert Schieder. "Und Leader ist - so wie das sogar Franz Fischler schon gesagt hat - mehr als nur eine Produktionsförderung für Landwirte."

Leader beinhaltet demnach auch Schwerpunkte für Frauen-, Jugend-, Bildungs- und Sozialprojekte. Österreichs Leader-Anteil daran beträgt laut RH-Bericht seit 2007 aber tatsächlich nur durchschnittlich drei Prozent. Kritisiert werden darüber hinaus zahlreiche "In-sich-Geschäfte", bei denen Auftragnehmer und Auftraggeber ident gewesen seien. Dazu kommt noch, dass bei der Auswahl der Projekte die Selektion nach Qualität und Prioritäten nicht gewährleistet gewesen sein soll, heißt es in dem RH-Bericht.

"Wenn ich in dem Bericht lese, dass es Unternehmen gibt, die förderungsabwickelnde Stellen sein sollen, aber einen Großteil der Förderungen für ihre eigenen Projekte verwenden, dann bin ich mir nicht sicher, ob das dem Bottom-up-Prinzip des Leader-Programmes entspricht (lokale Aktionsgruppen sollen laut Leader-Kriterien eigentlich für die Fördervergabe zuständig sein, Anm.). Und es stellt sich die Frage: Ist denn wirklich das mit dem Programm passiert, was man damit erreichen wollte?", meint wiederum ein Sprecher von Schieder. Tatsächlich heißt es im RH-Bericht wörtlich: "Der RH kritisierte, dass ein hoher Anteil der Leader-Mittel teilweise in offenem Widerspruch zu den einschlägigen EU-Bestimmungen in Top-down-Projekte und damit in Projekte ohne echten Leader-Mehrwert floss."

10 Prozent für Großprojekte

Für die SPÖ ist damit das Programm an jenen vorbeigegangen, für die es eigentlich gemacht wurde - anstatt in innovative Entwicklungen im ländlichen Raum zu investieren, sind laut RH-Bericht etwa in Salzburg 43,4 Prozent der Gelder in den Wegebau geflossen und 10 Prozent an Investitionen, die top-down vergeben wurden. In Kärnten entfiel ein Viertel aller bis 2010 getätigten Förderungszusagen auf den Wegebau und 18 Prozent auf landwirtschaftliche Großprojekte. In Tirol wiederum wurden laut RH mehr als 35 Prozent der Mittel für Forstprojekte sowie mehr als 16 Prozent für landwirtschaftliche Großprojekte bewilligt.

"Wir bekennen uns dazu, dass wir für kleine Landwirte Förderungen brauchen, damit sie das tun können, was sie tun. Womit wir uns schwertun, ist die Vorstellung, dass die Förderungen nur dazu dienen, um die Gewinne der agroindustriellen Komplexe noch weiter zu erhöhen", so der Schieder-Sprecher weiter. Nachsatz: "Und wenn man die Kritik des RH entkräften will, ist ein ,is eh net so‘ eine Spur zu wenig."

Denn die Argumentation der ÖVP, dass alle Förderungen vom Nationalrat bzw. den Landtagen abgesegnet wurden und deswegen auch rechtens sind, sei nicht ganz zutreffend. Schließlich würden Nationalrat und Landtage zwar die Eckpunkte beschließen, aber nicht, wie viel Förderung eine bestimmte Firma konkret bekommt, erklärt der Sprecher. Und die Kritik des RH setze schließlich erst bei der Umsetzung und den fehlenden Evaluierungen der konkreten Projekte an.

Wissen: Leader ist eine Förderungsschiene zur Finanzierung von innovativen Aktionen zur Entwicklung des ländlichen Raums (Schwerpunkt 4 des Programms für die Entwicklung des ländlichen Raums). Gleichzeitig bezeichnet Leader eine Methode zur Mobilisierung und Umsetzung von Entwicklungsinitiativen in lokalen ländlichen Gemeinschaften.