Auch Katzen können lächeln. Oder zuhören - und sie haben ein Vokabular. Ein Versuch, die eigene Katze besser zu verstehen.
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Es klingelt, Petra Ott tritt ein und Rambo verdrückt sich. Das Tier ist nicht bloß scheu wie so viele Katzen, sondern hat, wenn Besuch kommt, panische Angst. Die fremde Frau stört das nicht - sie möchte sich die Wohnung ansehen. "Das ist ja nahezu perfekt!", lobt sie die Einrichtung. Risse in den Wänden, die Farbe nicht mehr ganz frisch: Wirklich? "Ja, Ihre Möbel schaffen verschiedene Ebenen. Wenn Sie jetzt noch eine kleine Katzenleiter in der Fensternische anbringen mit einer Aussichtplattform, dann könnte Rambo das Geschehen auf der Straße beobachten", schlägt sie vor.
Katzen müssen mindestens sechs Stunden am Tag beobachten, lauern und anschleichen und sie lieben den Überblick. Sie mögen auch Goldfischbecken: Aquarien seien "Katzenfernsehen", erklärt die Besucherin und gibt damit eine Idee davon, was Rambo den ganzen Tag alleine zu Hause macht.
Körpersprache mit 16 Lauten
Petra Ott ist von Beruf Katzencoach. Ihre Aufgabe darf man sich so wie die einer Dolmetscherin vorstellen. Mit dem Unterschied, dass die Wienerin nicht von einer Weltsprache in eine andere übersetzt, sondern von Schnurr, Murr und Knurr in Wortsprachen wie Deutsch. Die Hauskatze Felis silvestris catus spricht in 16 verschiedenen Lauten und mindestens ebenso vielen Tonlagen. Hinzu kommen Bewegungen der Ohren, welche sie unabhängig von einander in verschiedene Richtungen drehen kann, jene des Schwanzes, der Augen und Lippen und nicht zuletzt des Körperfells. Und natürlich eine Vielfalt an Körperhaltungen, erklärt die Mittdreißigerin bei einem Kaffee am Wohnzimmertisch.
Derweil im Schlafraum. Dort thront die schwärzeste Katze der Welt, die als Kätzchen den Namen eines Katers bekam, auf dem Sofa. Sie hat sich zur Maximalgröße aufgeplustert und mustert die beiden Frauen, die nun eintreten, mit großen gelben Augen. "Hier ist mein Reich, will sie uns sagen", erklärt Petra Ott und beginnt, leise ein Lied zu singen, während sie auf die Katze zugeht. In diesem Moment flitzt Rambo unter das Bett, setzt sich in den hintersten Winkel und lauert. Also auf die Knie. Und während Petra Ott eine kleine Stoffmaus aus ihrer Tasche hervorzaubert und diese für die Katze sichtbar bewegt, wackelt Rambo langsam mit der Schwanzspitze. "Sie konzentriert sich darauf, was das neue Spielzeug kann", übersetzt die Katzenflüsterin.
Es dauert eine gefühlte halbe Stunde auf den Knien, bis Rambo den Mut zusammensammelt, sich die brandneue Maus zu krallen. Petra Ott benetzt die Maus mit Baldrianspray, bewegt sie hin und her, betört das fellige Raubtier in süß-weichem Singsang. Doch die schwärzeste Katze der Welt lässt sich schwer aus der Reserve locken. Urplötzlich gelingt es der Katzenflüsterin dann doch - mit einem Satz springt Rambo die Maus an, packt sie, beißt hinein, lässt wieder los, holt sie zurück. Eine talentierte Jägerin.
Etwa ein Drittel der 1,3 Millionen Katzen in Österreichs Haushalten sei verhaltensauffällig, informiert die Expertin für feline Wesen: Rambo sei ungewöhnlich scheu. Ob die Erklärungen des Tierheims da helfen? "Der ist in einer Rauferei etwas passiert", hieß es, als das zitternde Fellbündel ein neues Zuhause bekam.
Die Katzenliebhaber sind in einer alternden Gesellschaft mit vielen Single-Haushalten zahlreich: Die Samtpfote schlägt den Hund als des Menschen bester Freund. Das mag daran liegen, dass Österreichs beliebtestes Haustier unkomplizierter zu sein scheint als Bello: Niemand muss Gassi gehen, untertags kommt die Katze alleine zurecht. Zudem ist Felis silvestris catus dem Menschen ein Spiegel, wie das deutsche Rheingold-Institut betont. Wie der Mensch legt sie scheinbar widersprüchliche Verhaltensweisen an den Tag zwischen inniger Verbundenheit und Distanz: Der Mensch muss sich die Zuneigung seiner Katze immer wieder neu erobern, gleichzeitig sind die Fellnasen ein Ruhepol und ein Anker im hektischen Alltag und ein Sinnbild für den Wunsch nach Unabhängigkeit.
Allerdings können Katzen auch ganz schöne Macken entwickeln. In einer Studie der Ludwig Maximilians Universität in München klagt jeder zweite Katzenhalter über "psychische Störungen" seines Tieres, die sich in übermäßigem Markieren, Futterverweigerung oder wochenlangem Verstecken äußern. Bei einer Überprüfung der Behauptungen stellten die Verhaltensforscher allerdings fest, dass nur jede 13. Katze einen echten psychischen Schaden hatte. Beim Rest handelte es sich um Spleens, die die Vierbeiner entwickelten, weil ihre Besitzer ihr Verhalten falsch gedeutet hatten und sie nur bedingt artgerecht hielten.
Problematische Reaktionen der felligen Mitbewohner lassen sich korrigieren, wenn die Katzenhalter ihr Verhalten ändern. "Die Sprache der Tiere zu kennen ist ausreichend, um Harmonie im Zusammenleben zu erreichen", ist Petra Ott überzeugt.
Wieder im Wohnzimmer, Rambo ist mit der Maus beschäftigt. "Meist reichen zwei Termine, und die Situation ist entspannt. Dann kneift die Katze die Augen zusammen. Das bedeutet, sie lächelt - ihr Mensch mit ihr", sagt Ott, die ihren Haushalt mit zwei amerikanischen Waldkatzen teilt.
Manchmal ist Rambos Maunzen am Abend schon durch die Wohnungstür im Gang zu hören. Sie müsse schrecklich alleine sein, sei das Tierquälerei? "Ihre Katze kennt den Motor Ihres Autos, wenn sie einparken. Sie hört Ihre Schritte, die sich nähern, und meldet sich zur Begrüßung". (Die Katze ist also in Wirklichkeit ein Hund.) "Dass eine Tür dazwischen ist, spielt keine Rolle: Das ganze Haus ist Rambos Revier und sie freut sich, wenn sie kommen, und heißt sie willkommen."
Auf die Erleichterung ob dieser Nachricht folgt eine Hausaufgabe. "Rambo will in Kontakt treten, sie braucht die Beziehung. Wenn Sie jeden Abend mit ihr spielen, wird sie zutraulicher werden." In diesem Moment stupst die schwärzeste Katze der Welt mit der Pfote die angelehnte Türe auf, geht ohne den Gast oder ihre Mitbewohnerin eines Blickes zu würdigen vorbei und setzt sich wie eine Sphinx auf die Heizung. Nur die Ohren bewegt sie im Rhythmus der Stimme von Petra Ott, die erklärt: "Sie denkt sich: Jetzt bin ich aber gespannt, ob die das Richtige der Katzenmama erzählt."
Ein Zwinkern ist ein Lächeln
Das ist so einiges: Wenn eine Katze den Kopf zur Seite neigt und die Augen halb schließt, genießt sie hingebungsvoll. Wenn sie sich auf den Rücken legt, will sie gestreichelt werden. "Und wenn sie die Hand mit den Zähnen beknabbert, kann man sie knuddeln und mit ihr spielen." Wieder etwas gelernt: Das Knabbern ist also kein Beißen und keineswegs aggressiv. Die Rückenlage steht für volles Vertrauen, weil sich eine Katze nicht so schnell umdrehen kann.
Ein rasch bewegter Schwanz bedeutet Aufregung, eine langsam bewegte Schwanzspitze Konzentration. Und wenn sich die Katze neben einen aufs Sofa setzt, ohne anzustreifen, dann will sie entspannt mit ihrem Besitzer herumsitzen. Auch reden sei dann nicht erforderlich. "Oft reicht es, mit den Gedanken zu kommunizieren", sagt Petra Ott. Zum Abschied gibt sie einen Tipp. "Versuchen Sie einmal, Rambo nachzuahmen. Sie wird sich verstanden fühlen."
Ich beginne, Rambo auf der Heizung zu streicheln. Schaue sie an, schaue - katzähnlich wieder weg, während sie sich immer länger macht und mich ganz langsam anzwinkert. Ich habe ein Lächeln geerntet, zwinkere zurück und mache dann wie Rambo die Augen zum Schlitz. Meine Mitbewohnerin zwinkert wieder. Und diesmal wirkt es ein bisschen so, als würde sie sagen: "Du bist doch auch eine Katze, gib‘s zu."