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An der Basis brodelt es

Von Bettina Figl

Politik

"Wenn von einem Halbtagesjob die Rede ist, fühle ich mich gefrotzelt."


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Wien. 20-Stunden-Job, drei Monate Ferien, und sie beklagen sich über die im Raum stehende Arbeitszeiterhöhung von zwei Wochenstunden: So ähnlich lautet das Bild, das in der Öffentlichkeit vom Berufsstand der Lehrer kursiert. Je nach Schultyp unterrichten Lehrer derzeit 17 Stunden pro Woche (AHS, BHS) oder 22 bis 24 Stunden pro Woche (Volksschule, Hauptschule, Neue Mittelschule). Und die tatsächliche Arbeitszeit liegt mit Vor- und Nachbereitung, Projektwochen sowie Elterngesprächen oft weit darüber.

13-Stunden-Tage und doppelte Anstrengung

"An manchen Tagen arbeite ich 13 Stunden. Wenn in den Medien von einem Halbtagsjob die Rede ist, fühle ich mich gefrotzelt", erzählt eine junge Volksschullehrerin. Dass die Vorbereitungszeit mit den Jahren abnimmt, sei falsch, sagt eine Direktorin: "Jede Klasse ist anders, und in unserer schnelllebigen Zeit können wir nicht einfach alte Unterrichtsmaterialien hernehmen. Das war vielleicht früher so." Sie ist seit 18 Jahren Direktorin, und aus ihrer Anfangszeit als Lehrerin weiß sie: "Eine Stunde in der Klasse zu unterrichten ist doppelt so anstrengend." Dennoch: "Jeder Lehrer versteht, dass die Arbeitszeit steigen soll", sagt sie und skizziert damit die Stimmung im Lehrerzimmer - allerdings nicht für weniger Geld. Denn während das geplante Lehrerdienstrecht ein höheres Einstiegsgehalt und weniger Gehaltssprünge vorsieht, befürchten die Lehrer, dass sie künftig insgesamt weniger verdienen werden. Deshalb steigt die Gewerkschaft auf die Barrikaden, auch von Streik war die Rede. Sperren bald die Schulen zu? "Wir reden jeden Tag über die aktuellen Entwicklungen. Die Lehrer warten ab", so die Direktorin, die namentlich nicht genannt werden will. Die Gewerkschaft werde zwar auch von großen Teilen der Lehrerschaft als "Bremsklotz" gesehen, aber: "Sie ist die Gewerkschaft, und nicht der Arbeitgeber. Sie will das Beste herausholen."

Aus demselben Grund protestierten am Montag rund 100 Lehrer und Unterstützer vor dem Unterrichtsministerium, wo zur selben Zeit Regierung und Lehrergewerkschaft verhandelten. Unter den Demonstranten befanden sich viele junge und angehende Lehrer wie der Lehramtsstudent Sebastian Kugler, der die Demo angemeldet hat: "Ich erlebe die Stimmung an der Uni als sehr verunsichert und wütend. Einige Studienkollegen denken ernsthaft darüber nach, das Studium abzubrechen, sollte das neue Dienstrecht kommen. Aber viele wollen für Verbesserungen kämpfen und wollen sich nicht einschüchtern lassen." Doch auch das alte Dienstrecht sei für viele unattraktiv, würde die Unterschiede zwischen verschiedenen Lehrern "einzementieren", und gehörte "wie das ganze Schulsystem reformiert". Die Reform dürfe aber nicht "unter dem Damoklesschwert eines Sparpakets" passieren, sondern die Ausfinanzierung müsse garantiert und Betroffene müssten miteinbezogen werden.

Schüler wollen mitreden, Eltern die besten Lehrer

Apropos Betroffene: Was sagen eigentlich die Schülervertreter zum geplanten Lehrerdienstrecht? Die SPÖ-nahe Aktion Kritischer Schüler (AKS) wünscht sich mehr Mitbestimmung: "Wenn es darum geht, das steinzeitliche Bildungssystem in Österreich zu reformieren, kommen Experten, Lehrer und Eltern zu Wort, auf die Schüler wird nie gehört", kritisiert die AKS-Bundesvorsitzende Claudia Satler in einer Aussendung.

"Für mich wäre es unverständlich, wenn am Dienstag der Beschluss ohne das Einverständnis der Lehrer gefasst wird. Immerhin liegen noch über 1700 Stellungnahmen am Tisch. Diese müssen zuerst abgearbeitet werden", sagt Bundesschulsprecherin Angi Groß von der Schülerunion. Die ÖVP-nahe Schülervertretung ist dagegen, dass Lehrer bereits mit einem Bachelortitel unterrichten dürfen. Die schwarzen Schülervertreter befürchten, dass die Gesamtschule durch die Hintertüre eingeführt werden soll, indem fortan alle Lehrer gleich ausgebildet und bezahlt werden sollen. Gegen die Gesamtschule sträubt sich auch der Bundeselternverband. Für die Eltern stehe die Qualität der Lehrer an oberster Stelle, und diese habe eben ihren Preis, sagt Theodor Saverschel. Der Präsident des Bundesverbands der Elternvereine an mittleren und höheren Schulen sieht zudem den Schultyp der HTL in Gefahr, wo meist Praktiker aus der Wirtschaft unterrichten - doch wenn diese künftig vier Jahre Pädagogik studieren müssen und dann noch weniger verdienen sollen, würde es schwer werden, sie für den Beruf zu gewinnen.

Die Streitpunkte:

  • Unterrichtszeit: Ab -x-NEWLINE-x-2019/20 sollen alle neu eintretenden Lehrer verpflichtend 24 Stunden pro-x-NEWLINE-x- Woche unterrichten, wobei darunter auch Lernzeiten bei der -x-NEWLINE-x-Tagesbetreuung fallen. Klassenvorstände bzw. Mentoren ersparen sich eine-x-NEWLINE-x- Stunde, außerdem sollen auch Betreuungs- und Beratungsstunden als -x-NEWLINE-x-Abschlagsstunden gelten. Insgesamt kann man durch diese Tätigkeiten zwei-x-NEWLINE-x- Wochenstunden Unterricht ersetzen, bleiben mindestens 22 Stunden -x-NEWLINE-x-klassischer Unterricht. Derzeit müssen Lehrer an Pflichtschulen -x-NEWLINE-x-(Volks-, Haupt-, Sonderschulen) 20 bis 22 Wochenstunden unterrichten. An-x-NEWLINE-x- Bundesschulen (AHS, berufsbildende mittlere und höhere Schulen) sind es-x-NEWLINE-x- 20, wobei Lehrer hier durch eine unterschiedliche Bewertung von -x-NEWLINE-x-Schularbeits- und weniger betreuungsintensiven Fächern de facto zwischen-x-NEWLINE-x- 17 und 22 Stunden in der Klasse stehen. Bundesschullehrer, vor allem -x-NEWLINE-x-jene in betreuungsintensiven Fächern, wären von der höheren Arbeitszeit -x-NEWLINE-x-also überproportional stark betroffen.
  • Gehalt: Das-x-NEWLINE-x- Regierungsmodell sieht für alle Lehrer ein Einstiegsgehalt von 2420 -x-NEWLINE-x-Euro brutto (Bundeslehrer derzeit rund 2220 Euro; Landeslehrer 2025 -x-NEWLINE-x-Euro) und sieben anstelle der derzeit 17 bis 18 Gehaltssprünge vor, das -x-NEWLINE-x-Höchstgehalt nach 39 Jahren beträgt 4330 Euro (Bundeslehrer derzeit 5140-x-NEWLINE-x- Euro; Landeslehrer 4500 Euro). Anders als bisher sollen die Lehrer ab -x-NEWLINE-x-der AHS-Unterstufe beziehungsweise Hauptschule/Neue Mittelschule je nach-x-NEWLINE-x- unterrichtetem Fach außerdem Zulagen (monatlich bis zu 36 Euro pro -x-NEWLINE-x-Wochenstunde) erhalten. Extra Geld ist auch für "Spezialfunktionen" wie -x-NEWLINE-x-Bildungs-und Schülerberatung oder Berufsorientierung vorgesehen. Vor-x-NEWLINE-x- allem die AHS- und BMHS-Lehrer rechnen - anders als die Regierung - zum-x-NEWLINE-x- Teil mit hohen Verlusten beim Lebensverdienst. Pflichtschullehrer -x-NEWLINE-x-verlieren zwar kein Geld, brauchen aber durch die neue Lehrerausbildung -x-NEWLINE-x-mit verpflichtendem Master de facto doppelt so lang für ihr Studium wie -x-NEWLINE-x-bisher und wollen das auch abgegolten haben.
  • Ausbildungsqualität:ehrer-x-NEWLINE-x- sollen schon nach Abschluss des Bachelor-Studiums auch an AHS und BMHS -x-NEWLINE-x-unterrichten dürfen. Derzeit ist dafür der Abschluss eines (etwas -x-NEWLINE-x-längeren) Magisterstudiums nötig. Das ist vor allem den AHS- und -x-NEWLINE-x-BMHS-Gewerkschaftern ein Dorn im Auge. Zwar sind die -x-NEWLINE-x-Bachelor-Lehrer verpflichtet, innerhalb von fünf Jahren ihren -x-NEWLINE-x-Masterabschluss nachzuholen - widrigenfalls droht die Kündigung. -x-NEWLINE-x-Allerdings ist diese nur ein Recht des Dienstgebers: Dieser könnte -x-NEWLINE-x-darauf verzichten und so die eigentliche Notwendigkeit eines -x-NEWLINE-x-Masterabschluss umgehen.
  • Fachfremde Gegenstände: Der-x-NEWLINE-x- Entwurf sieht vor, dass Lehrer künftig vorübergehend aus wichtigen -x-NEWLINE-x-Gründen auch Fächer unterrichten dürfen, für die sie nicht lehrbefähigt -x-NEWLINE-x-sind. Das ist derzeit zwar schon in Hauptschulen und Neuen Mittelschulen-x-NEWLINE-x- Usus, wird aber trotzdem von der Gewerkschaft abgelehnt.-x-NEWLINE-x-