Bulgarien errichtet für fünf Millionen Euro Zaun an grüner Grenze zur Türkei.
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Sofia. Araber und Schwarzafrikaner, die auf dem pittoresken Stadtplatz zwischen der Banja-Bashi-Moschee und dem historischen Stadtbad in Grüppchen zusammensitzen, sind für die Bewohner der bulgarischen Hauptstadt Sofia ein ungewohnter Anblick. Die Bulgaren kannten Immigranten bisher vor allem von Reisen in die großen Städte im benachbarten Griechenland.
Jetzt aber zeigt sich ihnen das globale Flüchtlingsproblem vor der eigenen Haustür. Manche von ihnen reagieren mit Furcht und Ablehnung, in einigen Städten gab es bereits Protestdemonstrationen gegen neue Flüchtlingslager. Andere zeigen Verständnis und Hilfsbereitschaft, spenden Kleidung und Lebensmittel.
Der bulgarische Staat scheint unfähig oder unwillig, den Zufluchtsuchenden ein menschenwürdiges Dasein zu gewähren. Er zahlt Flüchtlingen gerade einmal 65 bulgarische Lew im Monat, also rund einen Euro pro Tag, für Lebensmittel. Um mit der "Flüchtlingskrise" fertigwerden zu können, so behauptet die sozialistisch geführte Regierung von Ministerpräsident Plamen Orescharski, brauche das arme Bulgarien finanzielle Hilfe von der EU. Gleichzeitig kündigte Innenminister Tsvetlin Iovtschev an, bis Februar 2014 um fünf Millionen Euro einen Zaun an der grünen Grenze zur Türkei errichten zu lassen.
Das Flüchtlingsheim am Rande des Bezirks Ovtscha Kuppel ist das größte von drei Lagern in Sofia, mehr als tausend Menschen leben hier. Zum Trocknen ins Fenster gehängte Kleidung zeigt, wie eng es belegt ist. "Zwei Dutzend Menschen hausen in einem Raum, viel zu viele müssen sich ein Bad teilen", erzählt Mahmoud Faruk.
Noch schlechter als in Ovtscha Kuppel sind die Lebensbedingungen in früheren Schulgebäuden in Vraschdebna und Voina Rampa, die Ende September eiligst zu Flüchtlingsheimen umfunktioniert worden sind. Vom Nationalfernsehen vor kurzem ausgestrahlte Aufnahmen mit versteckter Kamera, die leckende Wasserrohre und defekte Toiletten zeigten, haben die Öffentlichkeit aufgeschreckt.
Weiter nach Westeuropa
Zwar beteuert die DAB, die Staatliche Agentur für Flüchtlinge, inzwischen Eilreparaturen vorgenommen zu haben, die Lebensverhältnisse für die Flüchtlinge bleiben aber prekär. Offiziellen DAB-Angaben zufolge sind die Heime bereits zu 20 Prozent überbelegt.
"Die Behörden arbeiten sehr langsam", erzählt Faruk, "doch wenn ich die nötigen Dokumente beisammen habe, will ich nach London zu Verwandten gehen, denn hier in Bulgarien gibt es für uns keine Arbeit." Mit seinem Wunsch, Bulgarien so schnell wie möglich zu verlassen, steht Faruk für 85 Prozent der Flüchtlinge, die laut der DAB weiter nach Westeuropa wollen.
Aktuelle Zahlen der DAB belegen die von vielen Flüchtlingen beklagte Schwerfälligkeit der bulgarischen Bürokratie. Insgesamt 4659 Flüchtlinge, überwiegend aus Syrien, aber auch aus Afghanistan, dem Irak und afrikanischen Ländern wie Mali haben seit Jahresbeginn in Bulgarien Zuflucht gesucht. Gerade einmal 18 von ihnen wurde bisher der Flüchtlingsstatus verliehen, und 1154 Flüchtlingen wurde die Aufnahme aus humanitären Gründen gewährt. Insgesamt leben inzwischen etwa 8000 Immigranten in Bulgarien, bis zum Jahresende werden es an die 11.000 sein, wird erwartet.
100 Flüchtlinge täglich
"Wir wollen die Dauer der Prozedur der Statusverleihung von jetzt 5 Monaten auf 21 Tage verkürzen", verspricht Nikolai Tscherpanliev, der Chef der Flüchtlingsagentur. Kamen früher 1000 Flüchtlinge pro Tag nach Bulgarien, so sind es derzeit 100 pro Tag. Nicht einmal DAB-Chef Tscherpanliev weiß, wo all diese Neuankömmlinge untergebracht werden sollen. "Die Regierung muss entscheiden, wo Flüchtlingsheime eingerichtet werden können", meint er nur, wenn man ihn auf die Problematik anspricht.
So ist für den bevorstehenden Winter mit einer weiteren Zuspitzung der Situation der Flüchtlinge in Bulgarien zu rechnen.