Am Golan könnte Vakuum entstehen in das verschiedene Gruppen eindringen.
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Qunaitra/Jerusalem. Ein Hund springt fröhlich herum, ansonsten ist es ruhig an der "Position 22", einem von Soldaten des Österreichischen Bundesheeres betriebenen Stützpunkt der UNO-Friedenstruppe Undof am Golan. Nach den Gefechten der vergangenen Wochen ist wenig Bewegung zu sehen. Doch der Bürgerkrieg in Syrien ist längst auch nach
Qunaitra, einem Grenzort zwischen Syrien und Israel, übergeschwappt. Vor einigen Wochen gab es ein Scharmützel um ein Paar Gebäude, für ein paar Stunden wehte die Fahne der syrischen Rebellen auf einem Masten, auf dem bisher die Flagge des Regimes von Präsident Bashar al-Assad im Wind flatterte. Gleich neben dem von österreichischen Blauhelmen betriebenen Außenposten verläuft der Grenzzaun, den Israel erst vor wenigen Wochen verbessert hat und der im Juli entlang der gesamten Golan-Grenze fertiggestellt sein wird.
Keine Freude über Abzug
Ob es stimmt, dass der letzte österreichische Soldat am 6. Juli vom Golan abgezogen sein wird, will einer der israelischen Soldaten am Grenzübergang Qunaitra, dem einzigen Grenzübertritt zwischen Syrien und Israel wissen. Von österreichischer Seite will das niemand so genau bestätigen. Eine ganze Reihe von österreichischen Fahrzeugen wird an diesem Tag von der israelischen Armee abgefertigt: Steyr-Lastwagen, Toyota-Landcruiser-Allradfahrzeuge, gehärtete Mannschaftstransportwagen. Die österreichischen Soldaten schleppen ihr Gepäck durch die Sicherheitsschleuse, durch das Röntgengerät, ein Spürhund schnuppert die Fahrzeuge nach Sprengstoff ab. Die österreichischen Soldaten sind wortkarg, wirklich glücklich über den Abzug scheint zwar niemand zu sein, aber Illoyalität ist bei Menschen in Uniform in höchstem Maß verpönt. Die österreichischen Blauhelme laden ihr Gepäck auf, steigen in ihre Fahrzeuge und fahren weiter. "So lange wir hier sind, ist hier Business as usual", sagt einer der Unteroffiziere, der den israelischen Grenzcheckpoint passiert.
Versorgung über Israel
Von Oberstleutnant Peter Lerner, einem der Sprecher der Israelischen Armee (IDF), ist keine direkte Kritik an Österreich zu hören. "Die UN Präsenz am Golan hat in den letzten 40 Jahren ihre Aufgabe gut erfüllt. Israels Grenze zu Syrien war vom militärischen Standpunkt aus gesehen die ruhigste." Die Entwicklungen der letzten Monate würden allerdings nun die Frage aufwerfen, wie es mit dem UN-Mandat weitergeht. "Wir werden jedenfalls alles tun, um die Arbeit der Undof zu erleichtern, wir haben noch eine Hotline und arbeiten eng mit den Blauhelmen zusammen." Tatsächlich: Seit der Weg vom Golan nach Damaskus zu gefährlich geworden ist, laufen die Versorgungswege der österreichischen Soldaten über Israel ab.
Letztlich sei es aber eine politische Entscheidung, wie es mit dieser Mission weitergeht, sagt Lerner. "In den vergangenen Monaten gab es immer wieder Verletzungen in der Waffenstillstandszone, Granatwerferbeschuss, Panzerbeschuss, Maschinengewehrfeuer. "Die Kämpfe zwischen der syrischen Armee und der Opposition verlagerten sich auch direkt an die Grenze. Das ist für uns eine Herausforderung und die Entwicklungen haben das Potenzial die ganze Region negativ zu beeinflussen", sagt der Armeesprecher in seinem Büro in Jerusalem. Der Bürgerkrieg würde in alle Richtungen überschwappen, vor allem in den Libanon. Die Flüchtlingsströme wiederum seien eine Herausforderung für Jordanien, den Libanon und die Türkei. Was Lerner besonderes Kopfzerbrechen bereitet: "Offenbar hat die Schiitenmiliz Hisbollah Interesse daran, ihren Fuß auf den Golan zu setzten. Was wir wirklich fürchten ist, dass der Golan zu einem Niemandsland wird und dass in das nun dort entstehende Vakuum die verschiedensten Gruppierungen einsickern."
Für Israel wäre das freilich ein Alptraum - denn die Hisbollah sei, so Lerner, im Moment die größte unmittelbare Bedrohung für die Sicherheit Israels. In Reaktion auf die zu erwartende höhere Bedrohung hat Israel eine stärkere Truppenpräsenz am Golan aufgebaut. Bisher waren dort aus Reservisten bestehende Einheiten eingesetzt, nun sind es reguläre militärische Kräfte, erzählt der Oberstleutnant im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Auf den Weg zum Golan waren immer wieder israelische Merkava-Panzer auf Tiefladern auf den Straßen zu sehen. Erst vor Tagen ist ein kombiniertes See-, Land-, Luft-Manöver der israelischen Streitkräfte zu Ende gegangen, die Übungsannahmen handelten von Interventionen im Libanon oder Syrien.
Grenze teilweise geöffnet
Der für den Grenzübergang zuständige israelische Hauptmann berichtet von den Eigenheiten eines Grenzübergangs zwischen den beiden verfeindeten Ländern, zwischen denen seit 1973 Waffenstillstand, aber kein Friede herrscht. Syrien unterstützt Gruppen, wie die libanesische Hisbollah-Miliz und die palästinensische Hamas, die in Vergangenheit Terroraktionen in Israel verübt haben und die Israel immer wieder mit Raketen beschießen. Israel hat seinerseits wiederholt Ziele im mit dem Iran verbündeten Syrien bombardiert. Und doch ist die Grenze zwischen den beiden verfeindeten Staaten nicht dauerhaft zu: Neben den UN-Truppen werden Äpfel, die auf der israelischen Seite des Golan geerntet werden, nach Syrien geliefert. 14.300 Tonnen seien es 2012 gewesen, "eine Rekordernte", wie der Hauptmann nicht ohne Stolz betont.
Und es reisen auch immer wieder Mitglieder der drusischen Minderheit über die Grenze. Die Drusen leben seit Jahrhunderten am Golan, die Drusen sind heute loyal zum syrischen Präsidenten Bashar al-Assad, bei Hochzeiten oder Beerdigungen dürfen Drusen von der syrischen Seite auf die israelische Reisen und umgekehrt. Zuletzt, so der Hauptmann, gab es auch immer wieder Verwundete - syrische Soldaten, Zivilisten oder Rebellen - die an die Grenze gebracht wurden, mit der Bitte, in Israel medizinisch behandelt zu werden.
Medizinische Hilfe für Syrer
"In schweren Fällen haben wir sie über die Grenze und in ein Spital gebracht", in leichteren Fällen hätten die Soldaten einfach Verbandsmaterial und Medikamente über den Zaun geworfen. Mit der Ruhe am Golan sei es jedenfalls seit einigen Monaten vorbei, sagt der Hauptmann. Den Abzug der Österreicher will er jedenfalls nicht kommentieren.
Es bleibt Paul Hirschson, einem der Sprecher des israelischen Außenministeriums, überlassen, leise Kritik am österreichischen Abzug zu üben: "Was wir aus dem Abzug von UN-Soldaten vom Golan lernen ist, dass wir uns im Ernstfall nur auf solche wie ihn" - Hirschson zeigt auf seinen Armee-Sprecherkollegen in Uniform Michael Horowitz - "verlassen können".