Frauen leiden anders als Männer, die sensitiver auf Schmerz reagieren.
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Montreal/Wien. Sind Frauen tatsächlich das stärkere Geschlecht? In Sachen Schmerz kann diese Frage kanadischen Forschern zufolge unter bestimmten Umständen mit Ja beantwortet werden. Ein Team um Jeffrey Mogil vom Department of Psychology der McGill University in Montreal hat herausgefunden, dass Frauen, vor allem bei wiederholtem Einwirken eines solchen Ereignisses, eine höhere Schmerzgrenze als ihre Pendants haben - weil sie frühere Pein schneller vergessen. Männer seien demnach sensitiver und gestresster, wenn sich ein Leiden wiederholt.
Die Forscher setzten für einen Test 41 Männer und 38 Frauen einem gewissen, aber eher geringeren Schmerzlevel aus, indem sie auf ihren Unterarmen Hitze einwirken ließen. Die Probanden waren aufgefordert, das Gefühl auf einer Skala von null bis 100 zu bewerten. Nur kurz drauf wurde die Schmerzerfahrung intensiviert. Mit einem Blutdruckmessgerät am Arm mussten sie schließlich Armmuskeltraining absolvieren. Eine qualvolle Sache, wie die Forscher betonen. Nur sieben der Testpersonen werteten den Schmerz auf der Skala schließlich unter 50.
Schmerzgedächtnis
Um festzustellen, inwieweit das Schmerzgedächtnis reagiert, wiederholten die Forscher das Experiment tags darauf. Dabei werteten Männer ihren Schmerz höher, als sie es am Tag davor taten - zudem auch höher als die weiblichen Probanden. Bei ihnen war stressbedingt auch ein höherer Blutdruck vorhanden.
Diese überraschenden Unterschiede hatten die Forscher zuvor schon bei Studien mit Mäusen festgestellt. "Es hat uns geradezu umgehauen, dass wir schließlich zwischen Männern und Frauen dieselben Unterschiede zu sehen bekommen haben wie bei den Mäusen", betont Mogil.
"Uns hat es sehr überrascht, dass die Männer intensiver reagierten, weil eigentlich bekannt ist, dass Frauen auf Schmerz grundsätzlich sensitiver reagieren als Männer", erklärt Loren Martin von der University of Toronto. Aber ganz offenbar nicht bei einem sich wiederholenden Ereignis. Man denke etwa an eine Geburt. Würden Frauen etwa die Qualen einer natürlichen Entbindung in ihrem Gedächtnis tatsächlich bleibend verankern, würden sie ein solches Ereignis wohl kaum weitere Male über sich ergehen lassen.
Situation in Österreich
Anders dürfte es sich hingegen bei chronischem Schmerz verhalten, von dem viele Menschen betroffen sind. Einer Umfrage unter österreichischen Einwohnern zufolge leiden 40 Prozent der Befragten regelmäßig unter Schmerzen - die Hälfte davon chronisch. In Österreich sind das 1,7 Millionen Menschen, betonte Waltraud Stromer, Anästhesistin am LKH Horn in Niederösterreich, am Freitag im Rahmen eines Hintergrundgesprächs. Rückenschmerzen führen dabei das Ranking an. Chronisch ist ein solches Leiden grundsätzlich dann, wenn es mehr als sechs Monate anhält, so die Medizinerin. Beim Rückenschmerz hingegen, spricht man schon nach zwölf Wochen von einer chronischen Beeinträchtigung.
Zermürbender Prozess
Besonderes Fingerspitzengefühl bedarf es hier daher bei der Diagnose und der Behandlung. Denn die Zeit ist ein Faktor, die den Patienten Linderung verschaffen, aber bei nicht rechtzeitigem Handeln auch schweres Leiden hervorrufen kann. Dazu bedürfe es einer flächendeckenden funktionierenden Schmerzmedizin, betonte Stromer. Diese sei hierzulande allerdings nicht gegeben, so die Kritik der Expertin. Während durchaus effiziente Medikamente und Behandlungsmethoden für Menschen mit chronischen Schmerzzuständen vorhanden wären, würden in Österreich strukturelle Defizite die Versorgung der Betroffenen verhindern. Im aktuellen internationalen Krankheitsverzeichnis ICD10 sei das Krankheitsbild zwar verzeichnet, doch bei in der österreichischen Kassenmedizin nicht anerkannt. Daher gebe es auch keine Kassenverträge für diese Spezialisten.
Die Betroffenen selbst fühlen sich nicht zuletzt dadurch nicht ernst genommen. Doch Schmerz schränkt ein, belastet psychisch und beeinträchtigt die Arbeitsfähigkeit, schilderte Christiane Ferch, selbst langjährige Schmerzpatientin. Sie spricht von einem zermürbenden Prozess, der stattfindet und jeden Patienten über kurz oder lang einhole.