Zum Hauptinhalt springen

An die Macht mit Merkels Hilfe

Von Alexander Dworzak

Politik

Die deutschen Grünen beschließen ihr Programm für die Bundestagswahl. Das Spitzenduo will mitregieren, Rot-Grün liegt aber weit zurück.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 7 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Berlin/Wien. 4 Prozent im Saarland, und damit im März aus dem Landtag geflogen. 40 Prozent der Wähler in Nordrhein-Westfalen im Mai verloren, auf 6,4 Prozent abgestürzt. Und in beiden Ländern die rot-grüne Koalition verspielt: Für die deutschen Grünen war 2017 bisher ein Katastrophenjahr. Einziger Lichtblick blieben jene 12,9 Prozent bei der Wahl in Schleswig-Holstein ebenfalls im Mai, aufgrund der hohen SPD-Verluste wurden auch im Norden Rot und Grün abgewählt. Teil der Regierung bleibt die Öko-Partei dort dennoch, sie geht nun ein Bündnis mit dem Wahlsieger CDU sowie der FDP ein.

Gar ein Modell für den Bund könnte die ungewöhnliche "Jamaika-Koalition" werden. Denn das sozialdemokratische Zwischenhoch infolge der Kanzlerkandidatur von Martin Schulz im Jänner ist längst wieder verflogen. Die SPD kommt nur auf rund ein Viertel der Stimmen, die Grünen erreichen laut aktuellen Umfragen acht Prozent; in etwa so viel wie Linkspartei, FDP und AfD. Rot-Grün ist somit meilenweit von einer Mehrheit entfernt. Auch gemeinsam mit der Linkspartei reicht es nicht, noch dazu ist diese Koalitionsvariante bei vielen Funktionären und Sympathisanten unbeliebt.

Erklärtes Wahlziel der Grünen ist der dritte Platz bei der Bundestagswahl Ende September. Wollen sie danach regieren, müssen sie auf Angela Merkel setzen: Die Kanzlerin steuert auf eine vierte Amtszeit zu. 38 Prozent für die CDU bedeuten nach jetzigem Stand, dass die Konservativen wieder eine ungeliebte große Koalition eingehen müssen. Oder sie versuchen die bisher noch nie im Bund erprobte Variante mit der FDP und den Grünen.

2200 Änderungsentwürfe

Dementsprechend offen gibt sich die grüne Spitze im Vorfeld ihres Parteitages in Berlin, der bis Sonntag dauert. "Wir wollen mit allen demokratischen Parteien reden und schauen, mit wem man am besten und am meisten durchsetzen kann", sagt Cem Özdemir im SWR. Auch der zweite Part des grünen Spitzenkandidatenduos, Katrin Göring-Eckardt, signalisiert Offenheit gegenüber den Konservativen.

Beide stehen für einen realpolitischen Kurs, sie wurden von der Basis auserkoren. Der Fundi-Flügel der Partei ist aber mitnichten in die Bedeutungslosigkeit abgeglitten. Beim Parteitag im November stimmte die Mehrheit dafür, dass Hartz-IV-Empfänger von den Jobcentern nicht mehr bestraft werden dürfen; etwa, wenn sie vereinbarte Ausbildungen nicht fortführen. Von 4,3 Millionen erwerbsfähigen Hartz-IV-Empfängern sind im Monatsschnitt rund 132.000 sanktioniert. Auch der Entwurf für das nunmehrige Wahlprogramm kam nicht gut an, 2200 Änderungsentwürfe wurden eingebracht. Widerspruch von Realo-Seite ist zur geplanten "verfassungsfesten, ergiebigen und umsetzbaren Vermögensteuer für Superreiche" zu erwarten.

Özdemir und Göring-Eckardt präsentierten Ende Mai einen "Zehn-Punkte-Plan für Grünes Regieren". Darin setzt die Partei auf ihre Kernkompetenzen Umwelt- und Klimaschutz sowie erneuerbare Energien. So sollen jene 20 Kohlekraftwerke mit dem höchsten Schadstoffausstoß sofort vom Netz gehen, die restlichen in den kommenden 20 Jahren. Das dauert vielen in der Partei zu lange, ebenso wie der Umstieg auf abgasfreie Autos. Die ursprüngliche Zielmarke des Jahres 2030 wurde wieder fallengelassen.

Göring-Eckardt hofft in einem Interview mit "Spiegel Online", dass die Wähler im Zuge der Debatte über die Kündigung des Pariser Klimaschutzabkommens durch US-Präsident Donald Trump bei den Grünen andocken: "Die Auseinandersetzung über den richtigen Weg für unseren Planeten verläuft über die Öko-Frage. Daran hängen Wirtschaft, Außen-, Sicherheits- und Flüchtlingspolitik."

Bei Letzterer betont Göring-Eckardt das Grundrecht auf Asyl. Die "teilweise ungeordneten Zustände" des Sommers 2015 dürften sich aber "nicht wiederholen".