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An die Schulen hat beim Lockdown niemand gedacht

Von Paul M. Horntrich

Gastkommentare
Paul M. Horntrich ist Universitätsassistent am Institut für Wirtschafts- und Sozialgeschichte der Universität Wien. Davor hat er Lehramt für Deutsch und Geschichte, Sozialkunde und Politische Bildung studiert und einige Jahre an höheren Schulen in Wien unterrichtet.
© privat

Wie der Unterricht ab Montag aussehen soll, ist völlig unklar.


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Nachdem es das mediale Tohuwabohu der vergangenen Tage schon anklingen hat lassen, ist nun fix, was viele österreichische Eltern befürchtet haben: Uns steht ein neuer Lockdown bevor - und an die Schulen hat wieder einmal niemand gedacht. Was unglaublich klingt, ist in Österreich ab kommendem Montag wieder einmal Realität.

Der Lockdown als Ultima Ratio, um die besorgniserregend hohen Ansteckungszahlen in den Griff zu bekommen, ist eine klare Maßnahme. Völlig unklar ist hingegen, wie es mit den Schulen in der Praxis weitergehen soll. Der Plan sieht vor, dass sie zwar weiterhin geöffnet sein werden, gleichzeitig kam von der Regierungsspitze jedoch der Appell an alle Eltern, ihre Kinder doch bitte nicht hinzuschicken. Klare Kommunikation geht anders.

Wie der Schulbetrieb ab Montag aussieht, ist also unklar. Theoretisch ist ein Nebeneinander von Vor-Ort-Beschulung und Distance Learning möglich. Ob sich ein derartiges Modell in der Praxis umsetzen lässt, bleibt jedoch fraglich. Für die nächsten Wochen könnte sich also wieder primär der Fernunterricht - vielleicht mit bestimmten Phasen vor Ort - durchsetzen. Dabei dürfte das Durcheinander mit den Schulen nicht nur schlechter Krisenkommunikation, sondern tatsächlicher Planlosigkeit geschuldet sein. Hört man sich bei Pädagogen um, kann niemand von Notfallplänen und vorab festgelegten Szenarien, wie mit einem erneuten Lockdown umzugehen ist, berichten. Auch die nun denkbare Möglichkeit, dass sich Präsenz- und Fernunterricht abwechseln, wurde nicht vorbereitet. Wie erreichen wir unsere Schülerinnen und Schüler? Was soll vor Ort, was zu Hause erledigt werden? Welche Online-Lernplattform wird verwendet? Hat überhaupt jede und jeder ein digitales Endgerät, um dem Distance Learning folgen zu können? Finden Prüfungen statt und wenn ja, wie wird bewertet?

Es sind Fragen wie diese, die längst geklärt sein könnten und müssten, damit die kommenden Unterrichtswochen nicht dazu verdammt sind, die Fehler vom letzten Mal zu wiederholen. Derartige Vorbereitungen hat es aber offenbar nicht gegeben. Auch in den vergangenen Tagen, als sich in Oberösterreich und Salzburg bereits eine Verschärfung der Corona-Regeln, mitsamt der Frage, was das für die Schule bedeute, ankündigte, gab es keinerlei Information für die Lehrerschaft geschweige denn die Eltern. Das macht, gelinge gesagt, nach fast zwei Jahren Pandemie schon etwas stutzig. Immerhin ist von den neuen Regeln nicht eine kleine Minderheit, sondern mehr als 1,1 Millionen Schülerinnen und Schüler samt Eltern sowie das gesamte Schulpersonal betroffen. Von diesem Teil der Bevölkerung erwartet man jetzt einmal mehr volle Flexibilität - mit einer Vorlaufzeit von nur zwei Tagen.

Somit bleibt zu befürchten, dass auch die kommenden Unterrichtswochen nur eine Notlösung, aber kein adäquater Ersatz für Regelunterricht sein werden. Und gerade das hätte man nach den Erfahrungen vom letzten Mal unbedingt verhindern müssen. Zahlreiche Schülerinnen und Schüler - und hier besonders die sozial Schwachen - haben das Distance Learning mehr schlecht als recht überstanden. Experten gehen davon aus, dass manche mehr als ein ganzes Lernjahr verloren haben. Dazu kommt die hohe mentale Belastung durch den Wegfall klarer Strukturen und des Face-to-Face-Austausches in der Peergroup. Auch wenn der jetzige Lockdown aus epidemiologischer Sicht hoffentlich erfolgreich sein wird: Zumindest in der Schule wird es zu neuen Kollateralschäden kommen.