Wiederannäherung an Taschkent. | Österreich als Beispiel für Demokratie. | Wien/Taschkent. Fast täglich erschüttern Nachrichten über Anschläge in Afghanistan die Weltöffentlichkeit. Ein Ende des militärischen Engagements westlicher Staaten scheint in weiter Ferne. Dies ist problematisch. Je länger der "Krieg gegen den Terror" nämlich dauert, desto länger bleibt man abhängig von Verbündeten; und die kann man sich nicht immer aussuchen.
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Ein Beispiel hierfür ist Usbekistan. Der zentralasiatische Staat, der an Afghanistan grenzt, spielt als Drehscheibe für Versorgungsflüge eine wichtige Rolle. Angesichts der strategischen Lage versucht die EU seit längerem, die ehemalige Sowjetrepublik an Europa zu binden und Reformprozesse in Gang zu setzen.
EU fördert Reformen
Ein EU-Projekt zur Vertiefung der demokratischen Reformen in Usbekistan ist vor wenigen Wochen zu Ende gegangen. In erster Linie sollte dabei eine Wissenstransfer stattfinden, um dem Parlament in Taschkent Einblick in die Funktionsweise westlicher Demokratien zu geben. Der Leiter des Projekts, Anastasios Mantelis, wies im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" (WZ) auf die langfristige Dimension solcher Reformen hin. Es hätte aber durchaus konkrete Erfolge gegeben, wie Gesetzesinitiativen zur Verbesserung des Rechts-, des Gesundheits- und des Wirtschaftssystems.
Österreich spielt in diesem Projekt ebenfalls eine Rolle. Ende Juni 2006 besichtigten usbekische Abgeordnete das österreichische Parlament, um mit dem Nationalratsabgeordneten Michael Spindelegger (V) vom Außenpolitischen Ausschuss das gesamte Spektrum der parlamentarischen Kontrolle in Österreich zu besprechen.
Der Besuch fand vor einem ambivalenten Hintergrund statt. Einerseits befindet sich Usbekistan in einer strategisch wichtigen Position, andererseits herrschen dort nach wie vor grobe Mängel in Sachen Menschenrechte und Demokratie. So habe man zwar aus Höflichkeit die Gäste nicht gefragt, warum es im usbekischen Parlament noch immer keine Opposition gibt, erklärt Spindelegger der "WZ", man sei sich dieser Defizite aber bewusst. Einen Termin für einen schon einmal abgesagten Gegenbesuch gibt es noch nicht.
Grund für die Absage waren damals die Vorfälle im Mai 2005, als es in der Stadt Andischan zu einem Blutbad gekommen war. Die usbekische Regierung begründete den Einsatz von Gewalt zwar mit der Niederschlagung eines islamistischen Aufstands, Zeugen erzählten aber, dass usbekische Truppen das Feuer auf unbewaffnete Demonstranten eröffnet hätten. Die Angaben über Opferzahlen schwanken zwischen 173 und mehr als 1000 Toten.
Die diplomatischen Folgen waren weitreichend: Die EU hat wegen der Ablehnung einer unabhängigen Untersuchung Sanktionen gegen Usbekistan verhängt. Die USA mussten im Gegenzug, nachdem sie Kritik am Vorgehen in Andischan geäußert hatten, ihren Luftwaffenstützpunkt in Karshi räumen. Die deutsche Bundeswehr will ähnliches vermeiden. Der Fliegerhorst Termez soll, laut Verteidigungsministerium, als logistische Drehscheibe behalten werden.
Russische Ambitionen
Der Usbekistan-erfahrene Mantelis empfiehlt der EU auf alle Fälle, Kontakt zu dortigen politischen Entscheidungsträgern zu halten. Dies scheint bereits zu geschehen. Wie aus Diplomatenkreisen verlautete, bemüht sich der Westen seit etwa einem Monat wieder um verstärkten Kontakt mit Taschkent.
Das ist insofern wichtig, da man russischen Ambitionen in Zentralasien entgegenwirken möchte. So haben der russische Präsident Wladimir Putin und sein usbekischer Amtskollege Islam Karimow Ende letzten Jahres eine militärisch-politische Allianz geschlossen. Russland akzeptiert die Rechtfertigung Usbekistans, sich in Andischan "gegen Terroristen verteidigt" zu haben.