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Analyse: Ansar al Islam -ein neuer Grund für den Irak-Krieg?

Von Ritt Goldstein

Politik

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Verdächtigungen und die Anschuldigungen, ein Terrornetzwerk aufzuziehen, ranken sich derzeit um Ansar al Islam (Anhänger des Islam), eine ultra-othodoxe und radikale Gruppe, die angeblich eine ähnliche Strategie wie die Taliban verfolgt. Laut US-Statedepartment wird die Gruppe von Abu Musab al-Zarqawi geführt, einem "engen Vertrauten von Osama bin Laden". Andere Quellen stellen die Verbindung zu bin Laden in Frage und behaupten, Zarqawi sei Anführer der jordanischen Extremistengruppe Al Tawhid. Trotz aller Widersprüche versuchen die amerikanischen Falken, Ansar al Islam zu einer Rechtfertigung des Irak-Krieges aufzubauen.

So wurde diese Gruppe verantwortlich gemacht für den Anschlag gegen die beiden kurdischen Parteizentralen im irakischen Arbil am 1. Februar, und ist eine europaweite Jagd nach Zellen von Ansar al Islam im Gange. Inzwischen sind aber Hinweise aufgetaucht, dass Ziele und Möglichkeiten von Ansar al Islam wesentlich bescheidener sind, als von jenen behauptet wird, die Verbindungen zur Al Kaida sehen und Material für Medienmeldungen über die alarmierende Gefährlichkeit der Gruppe liefern.

Dennoch gelingt es, die Medien auch international zu Schlagzeilen und Schlussfolgerungen zu veranlassen. So berichtete der libanesische "Daily Star" am 17. Jänner, dass Ansar al Islam seine Terror-Fühler international ausstreckt, wobei sich das Blatt auf eine im Jahre 2002 von den Italienern gestartete Untersuchung bezog. Über diese wieder hatte der "Sydney Morning Herald" im April 2003 gewusst, dass die italienische Polizei eine Al Kaida-Gruppe in Syrien aufgespürt hat. Auch Diplomaten haben die italienische Untersuchung als Grund für eine europaweite Jagd nach Terrorzellen der Ansar al Islam bestätigt. Im April 2003 hatten italienische Sicherheitskräfte sieben vermutliche Al Kaida-Terroristen fest genommen, auch in der Meinung, diese hätten 40 Extremisten zu "Terror-Basen" im Irak geschleust, die gemeinsam von Al Kaida und Ansar al Islam unterhalten würden.

Im November 2003 berichteten CBS News von der Anklage der sieben wegen " internationaler terroristischer Verschwörung". Schon im April war über die Suche des italienischen Geheimdienstes nach einem "Nordafrikaner namens Aderrazak" berichtet worden. Ein von den deutschen Behörden inhaftierter Aderrazak Mahdjoub wartete laut "Daily Star" vom Jänner auf seine Auslieferung nach Mailand. Der Bericht bezeichnete ihn nicht als Al Kaida-Mann, sondern als vermutlichen "Führer der europaweiten Terroristenorganisation Ansar al Islam", von dem auf Grund eines abgehörten Telefongesprächs bekannt sei, dass er eine Terror-Zelle in Österreich errichten wolle. Von den österreichischen Behörden seien aber Aktivitäten von Ansar al Islam bestritten worden.

Zwei Monate bevor die "Los Angeles Times" die italienische Untersuchung groß publik machte, hatte US-Außenminister Colin Powell vor dem UN-Sicherheitsrat ausgesagt, dass "Zarqawi vom Irak aus sein Terror-Netzwerk im Nahen Osten und darüber hinaus steuert" und Saddam Husseins Verbindungsmann zur Al Kaida sei. Der Jordanier Zarqawi hatte sich zwar nach einer Verwundung im Afghanistan-Krieg in Bagdad aufgehalten, abgehörte Telefongespräche bestätigten jedoch, dass es keine Verbindung zu Saddam Hussein gegeben hat. Powell behauptete auf Grund von Satellitenfotos auch, Zarqawi hätte im Irak eine Produktionsstätte für tödliche Gift-Kampfstoffe aufgebaut. An der angegebenen Stelle konnten Journalisten nur einen Radiosender und Wohngebiete entdecken. Dennoch begannen danach Gerüchte darüber aufzutauchen, Zarqawi verfüge über Nervengas und Ricin. Das bestätigte sich ebenso wenig wie die behauptete Existenz von Massenvernichtungswaffen im Irak. Am 15. Oktober 2003 erklärte der frühere Powell-Mitarbeiter Greg Thielman im US-Fernsehen: "Der Außenminister hat die Amerikaner bei seiner Aussage vor der UNO falsch informiert."

Als Zarqawi 2002 in den Irak kam, traf er vermutlich den in Jordanien geborenen Mullah Fateh Krekar, den Anführer von Ansar als Islam, einer Gruppe von höchstens 800 Mann, unter ihnen auch Taliban-Veteranen aus dem Krieg gegen die Sowjetunion. Diese Gruppe hatte aber nach Recherchen eines Washingtoner Think Tanks nur die Absicht, ihre lokale Machtbasis im Nordosten des Irak auszuweiten.

Ansar al Islam hatte bei ihren Gebietskämpfen unter dem Druck der beiden irakischen Kurdenparteien mit all seinen Bombenanschlägen und Attentaten zu leiden. Im Juli 2002 forderte die Kurdenpartei PUK die Auflösung von Ansar al Islam, die angeblich eine Abspaltung der anderen Kurdenpartei KDP ist.

Anfang Jänner, also einen Monat vor dem Anschlag auf die Zentralen der beiden irakischen Kurdenparteien, wurde Krekar im Zuge der Jagd nach Ansar-Zellen in Norwegen auf Druck der USA unter der Beschuldigung verhaftet, er sei einer der Führer der Ansar. Krekar leugnet Verbindungen Ansar al Islam zur Al Kaida. Diese Verbindung zu beweisen, sei nach Ansicht von Kommentatoren auch ein Hauptgrund für seine Verhaftung gewesen, um Argumente für "einen Rechtfertigung des Irak-Krieges" zu erhalten.