Klarer Vorteil für Nicolas Sarkozy. | Fernsehdebatte sorgt für Spannung. | "Ihr Auftrag, falls Sie ihn annehmen, ist es, die marode französische Sozialistische Partei wieder wahltauglich zu machen und als deren Spitzenkandidatin die Präsidentschaftswahlen zu gewinnen." So könnte in der Fernsehserie "Mission Impossible" der Auftrag an Ségolène Royal gelautet haben.
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Keine einfache Aufgabe, die die 53-Jährige da übernommen hat. Und doch hat sie mit dem Einzug in die Stichwahl bereits die Hälfte ihrer Mission bewältigt. Ob es zu mehr reichen wird, ist nach derzeitigem Stand mehr als fraglich. Letzten Umfragen zufolge wird der konservative Kandidat, Nicolas Sarkozy, das Rennen um das Präsidentenamt mit 53 zu 47 Prozent der Stimmen für sich entscheiden.
Strikt mathematisch gesehen hat Royal eine sichere Wahlbasis von 36,44 Prozent der Stimmen (Kommunisten, Trotzkisten, Grüne und Globalisierungsgegner inklusive). Demgegenüber steht Sarkozy mit 34,56 Prozent der Stimmen (gemeinsam mit Jägern und Nationalisten). Was bleibt sind zwei Parteien, die rechts von der Mitte einzuordnen sind - damit ist für Sarkozy der Sack theoretisch bereits zu.
Doch handelt es sich sowohl bei François Bayrous Demokratischer Union (UDF) als auch bei Le Pens Nationaler Front (FN) um Parteien mit einer äußerst inhomogenen Wählerschicht.
So repräsentiert die UDF einerseits eine rechte, liberale Tradition Frankreichs - Stimmen, die Sarkozy sicher sind. Andererseits ist Bayrou als gemäßigter Zentrumspolitiker aufgetreten und sein gutes Abschneiden unter anderem darauf zurückzuführen, dass er viele sozialistische Stimmen erhalten hat, die in ihm die einzige realistische Chance sahen, Sarkozy zu verhindern. Das sind wiederum Stimmen, die an Ségolène Royal zurückfallen werden.
Le-Pen-Wähler sind tendenziell Sarkozy zuzurechnen. Mit seiner harten Linie von Recht und Ordnung hat sich der Konservative für viele von ihnen attraktiv gemacht. Doch ist sicher ein Teil - speziell aus der Arbeiterschicht - wohl auch sozialer Thematik gegenüber aufgeschlossen.
Eine Stimmempfehlung von Bayrou oder Le Pen könnte geradezu wahlentscheidend sein. Vorläufig halten sich die zwei Wahlverlierer damit aber zurück.
In deren Ermangelung muss Sarkozy nun zusehen, wie er den Spagat schafft, weiterhin die Le-Pen-Wähler bei Laune zu halten, ohne mit zuviel Extremismus die gemäßigten Anhänger Bayrous zu vergrätzen. Einen ersten Schritt in diese Richtung hat Sarkozy bereits unternommen. Am Wahlabend trat er betont versöhnlich auf und präsentierte sich als Staatsmann, der alle Franzosen repräsentieren möchte.
Während Sarkozy nur noch im Nuancierungs-Bereich arbeitet, ist für Royal die Zeit des großen Aufbruchs gekommen. Sie musste - vor allem bei rechten Themen - so behutsam als möglich vorgehen, um nicht allzu viele Stimmen an Bayrou zu verlieren und so vielleicht den zweiten Wahlgang zu verpassen. Das hätte den Todesstoß für ihre Partei bedeuten können, weshalb auch viele Genossen nach dem Ergebnis des ersten Wahlganges absolut erleichtert waren.
Doch nun ist der Zähler für den Wahlkampf auf Null gestellt. Zu erwarten ist eine Ségolène Royal, die sich das zulegen wird, was ihr vielen Vorwürfen zufolge gefehlt hat: Scharfe Kanten und Ecken. Ein großes Risiko würde sie damit nicht eingehen, denn Sarkozy ist für die gesamte Linke ein rotes Tuch. Das "Alles-außer Sarkozy-Gefühl" wird sie geschlossen hinter Royal stehen lassen, so wie sie seinerzeit hinter Chirac standen, als dieser gegen den rechts-extremen Le Pen antrat.
Demnach wäre ein Kurs Royals nach Mitte-rechts die einzige Möglichkeit, noch Stimmen zu holen, denn die ohnedies äußerst hohe Wahlbeteiligung der Franzosen macht es so gut wie unmöglich, bei den Weiß- und Nichtwählern Boden gut zu machen.
Neben dem Kampf um die Stimmen Bayrous und Le Pens wird die zweite große Determinante der Präsidentenwahl die Fernsehkonfrontation am 2. Mai sein. Knapp vor den Wahlen am 6. Mai angesetzt, kann dort mit einem Fehler oder einem geschickt ausgespielten Trumpf entschieden werden, wer schließlich als Gewinner des Rennens um den Elysée-Palast dasteht.
Abseits von Gedanken- und Zahlenspielen bleibt aber Sarkozy vorläufig haushoher Favorit für die Präsidentenwahl. Den Meinungsforschern zufolge wollen nämlich 54 Prozent der Bayrou-Wähler und 75 Prozent der Le-Pen-Wähler dem konservativen Kandidaten ihre Stimme geben. Das verschafft Sarkozy den errechneten Vorsprung von sechs Prozent gegenüber Royal. Zudem prophezeien die Umfragen bereits seit Monaten, dass Royal in der Stichwahl keine Chance gegen den Ex-Innenminister hat. Dann spätestens wird sich weisen, ob unmöglich genannte Missionen nur im Fernsehen gelingen.