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Analyse Rußland bleibt Serbiens einzige Schutzmacht

Von Nikolas Miletitch und Rainer Koch

Politik

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Als einzigen Fürsprecher wird eine jugoslawische Delegation bei der geplanten Kosovo-Konferenz im französischen Rambouillet Rußland an ihrer Seite finden. Moskau betrachtet sich weiter als

traditionelle Schutzmacht Serbiens, obwohl Präsident Slobodan Milosevic selbst den russischen Staatschef Boris Jelzin oder dessen Vermittlern eins ums andere Mal vor den Kopf stieß. Gegen den

westlichen Militäraufmarsch in der Balkanregion hat Moskau nicht viel unternehmen können · oder wollen, wie NATO-Diplomaten in Brüssel meinen.

Spätestens nach der fehlgeschlagenen Mission des Jelzins-Gesandten Alexander Awdejew im Jänner in Belgrad hätten die Russen ein "Glaubwürdigkeitsproblem", sagte ein Diplomat in Brüssel. Die Allianz

hofft, daß Rußland wie schon im Fall Bosnien militärische Gewaltanwendung oder Truppenentsendungen doch stillschweigend hinnehmen werde. In den vergangenen Monaten beharrte der russische

Außenminister Igor Iwanow darauf, daß die NATO in den Kosovo-Konflikt militärisch nicht eingreifen dürfe.

Moskau verlangt ausschließlich eine politische Lösung unter dem Dach der UNO oder der OSZE. Iwanow machte am Dienstag beim Besuch in Bonn noch einmal klar, daß ein Nicht-Zustandekommen der Kosovo-

Konferenz oder das Scheitern der Verhandlungen nicht automatisch zu Luftangriffen der NATO führen dürften. Dann müsse erst erneut die Kontaktgruppe zusammenkommen. Die westlichen Bündnisstaaten

übertrugen NATO-Generalsekretär Javier Solana allerdings längst die Vollmacht, den Mechanismus für einen Militäreinsatz in Gang zu setzen, falls Rambouillet ein Fehlschlag werden sollte.

Denn Moskau unterstützte trotz allem in der vergangenen Woche das Londoner Ultimatum der Kontaktgruppe an Serben und Kosovo-Albaner, bis Samstag Verhandlungen aufzunehmen und spätestens zwei Wochen

zu einer Einigung über ein Interimsabkommen für die Krisenprovinz zu kommen. Um das Ultimatum zu untermauern, verstärkten die Bündnisstaaten noch einmal das militärische Muskelspiel. Als Mitglied der

Balkan-Kontaktgruppe, der außerdem Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien und die USA angehören, sieht sich die russiche Diplomatie nicht nur als Interessenverteidiger Serbiens. Rußland

kann damit den Anspruch wahren, vom Westen weiterhin als Großmacht mit Mitspracherecht akzeptiert zu werden.

Die europäischen Verbündeten wie Deutschland und Frankreich hatten deshalb bei der jüngsten Eskalation der Krise im Jänner darauf hingewirkt, nicht zu demonstrativ auf die militärische Karte zu

setzen. Direkte Ultimaten der NATO an Belgrad wurden vermieden, obwohl dies in Washington gefordert worden war. Moskau sollte nicht vor den Kopf gestoßen werden und der Zusammenhalt der Kontaktgruppe

gewahrt bleiben. OSZE-Vorsitzender Knut Vollebaek forderte Belgrad am Donnerstag erneut auf, an der Kosovo-Verhandlung bei Rambouillet teilzunehmen. "Das ist die letzte Chance für einen friedlichen

Ausweg aus diesem Konflikt".

Als besonders bemerkenswert notierten NATO-Diplomaten, daß Rußland "voll" hinter dem Chef der OSZE-Beobachtermission im Kosovo, William Walker, gestanden sei, dessen Ausweisung Milosevic angeordnet

hatte. Walker hatte Serbien öffentlich die Verantwortung für das Massaker von Racak zugewiesen, bei dem 45 Kosovo-Albaner getötet worden waren.

Trotz der russischen Vorbehalte gegen eine NATO-Präsenz in Serbien treiben die westlichen Staaten ihre Vorbereitungen zur Stationierung einer internationalen Truppe mit rund 30.000 Soldaten voran,

welche die Umsetzung eines möglichen Friedensabkommens von Rambouillet im Kosovo überwachen könnte. Er hoffe, daß die Russen dann wie bei der SFOR-Truppe in Bosnien mit an Bord sein werden, erklärte

Solana unlängst in Brüssel.