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Andere Arbeitszeiten, neue Sitten

Von Konstanze Walther

Wirtschaft

Experte Mazal: Änderung in der Kultur möglich. | Vier Werktage statt fünf möglich. | 60 Stunden ohne Schwarzarbeit. | Wien. Vier statt fünf Tage und Überstunden ohne betriebliche Notwendigkeiten - den Boden dafür bereitet die sozialpartnerschaftliche Einigung der vergangenen Woche. Das langjährige Streitthema der Flexibilisierung der Arbeitszeiten wurde einvernehmlich gelöst. "Das bringt der Praxis endlich eine legalere Grundlage", meint Wolfgang Mazal, Professor für Arbeitsrecht an der Universität Wien: "Bisher ist schließlich auch schon oft über die erlaubten 50 Stunden hinaus gearbeitet worden."


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60-Stunden-Wochen sind nun ohne Wenn und Aber möglich - bisher durfte das nur unter bestimmten Voraussetzungen verlangt werden. Wie groß der jeweilige Durchrechnungszeitraum ist - das heißt, innerhalb welcher Zeitspanne man im Durchschnitt wieder auf "normale" 40-Stunden Wochen gelangt - werden die künftigen Kollektivverträge klären, der maximale Durchrechnungszeitraum beträgt ein Jahr. "Das hilft sicher der Legalität der Arbeit in Österreich", meint der Arbeitsrechtsexperte.

Langes Wochenende kann Norm werden

Weiters können künftig die Betriebe von ihren Mitarbeitern verlangen, vier statt fünf Tage zu arbeiten, dafür 10 statt 8 Stunden Normalarbeitszeit. "An sich ein Modell, das bisher nur bei bestimmten Situationen angewendet wurde", erklärt Mazal. Jetzt kann es jeder Betrieb verlangen. "Das wird natürlich nur innerhalb der Zumutbarkeitsgrenze gehandhabt werden", weiß Mazal. Allein die gesetzlich normierte Fürsorgepflicht des Arbeitgebers zwingt diesen, auf seine Mitarbeiter Rücksicht zu nehmen, etwa wenn Kinder vorhanden sind. Doch ein Single wird "weniger berücksichtigungswürdige Gründe haben", sich gegen etwaige Änderungen seiner Arbeitszeiten zu wehren. "Gute Personalisten werden die Verträge schon so formulieren, dass das eine Möglichkeit bleibt", meint Mazal zu den Chancen der Singles.

Bestehende Verträge genauso betroffen

Auch viele der bestehenden Verträge erlauben eine diesbezügliche Änderung - falls sich Unternehmer und Betriebsrat einig werden. Wenn die Arbeitszeiten im Betrieb geändert werden, braucht es laut Mazal jedenfalls eine Übergangsfrist. Es müssen übrigens nicht entweder vier Tage zu 10 Stunden oder fünf Tage zu 8 Stunden sein: Vermischungen sind möglich. Die Vereinbarungen können künftig normieren, dass an starken Tagen, etwa mittwochs, die Arbeitnehmer 10 Stunden arbeiten, dafür aber freitags immer nur 6 Stunden - solange es unter dem Strich 40 Stunden pro Woche ergibt. Für die Unternehmen bedeutet das eine finanzielle Entlastung: Sie müssen in solchen Fällen keine Überstunden mehr zahlen.

Diese neuen Szenarien - vier statt fünf Tage, oder plötzlich ein halber Tag frei- können laut Mazal nicht nur Auswirkungen auf die Bilanzen der Unternehmen haben - sondern in eine neue Lebenskultur münden. Wenn man unter der Woche plötzlich einen freien Tag hat, schichtet sich der gängige Wochenplan langsam um. Für manche bedeutet es mehr freie Zeit. Dafür sieht die neue Höchstarbeitszeit ein Durcharbeiten bis zu 12 Stunden vor (früher 10 Stunden). Diese Zeitspanne sei früher nur Berufen zugemutet worden, deren Tätigkeit sich vor allem durch das Bereithalten ihrer Arbeitskraft auszeichne, wie etwa Chauffeure, erklärt Mazal.

Alle anderen konnten bisher laut Gesetz nur aus triftigen Gründen wie etwa zur "Abwendung eines wirtschaftlichen Schadens" angehalten werden, 12 Stunden zu arbeiten. Diese Regelung ist nun vorbei - Überstunden könnten in diesem Ausmaß nun immer geleistet werden, sobald sie verlangt werden - außer der Kollektivvertrag oder die Betriebsvereinbarung sehen anderes vor.

Zuschläge für Teilzeit mit Schlupflöchern

Eine echte Erleichterung bringt das Paket für Teilzeit-Angestellte: Mehrarbeit wird nun endlich durch Zuschläge abgegolten. Das gilt aber nicht im Falle der Gleitzeit oder der geblockten Altersteilzeit. Und im Handel bleibt eine noch nicht definierte Anzahl von Stunden zuschlagsfrei. "Außerdem kann der Kollektivvertrag den Zuschlag auch negieren", so Mazal.