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Fettsucht wird zur neuen Epidemie - lese ich in der "Wiener Zeitung" - warnt die Weltgesundheitsorganisation WHO und weist auf die volkswirtschaftlichen Kosten von Medikationen, Spitalsaufenthalten und Arbeitsausfällen hin. Es gäbe bereits Verhandlungen mit der Nahrungsmittelindustrie hinsichtlich Fett-, Salz - und Zuckerreduktion, und in den Kantinen möge der Salat- und Gemüseanteil der Speisen erhöht werden... Ja, denke ich, von der Ernährungsseite her kann man schon einiges bewirken - auch wenn manche noch immer das Märchen "fettes Kind - glückliches Kind" glauben; von der Bewegungsseite her ist es viel schwieriger, Menschen vom Fernsehschirm oder Computer weg zu locken und hinaus, wo einen die Piste oder das Schwimmbecken meist nicht vor der Haustür erwarten...
Es ist etwa zwanzig Jahre her, da hat der leider so tragisch verstorbene Wiener Sozialpsychiater Hans Strotzka die "Bewegungsarmut der heutigen Jugend" bereits als "neurotisches Symptom" bezeichnet. Sobald Kinder nämlich laufen lernen, wieseln sie hurtig umher und lassen sich auch durch gelegentliches Hinfallen nicht in ihrem Bewegungsdrang bremsen - bis überbesorgte Eltern beginnen, vor Gefahren zu warnen. Und genau das ist der falsche Weg. Der richtige wäre, dem Kind so früh wie möglich zu zeigen, wo, wann und wie es sich so verhalten kann, dass wenig Aussicht auf Negativfolgen besteht. Dazu müssen die Bezugspersonen aber selbst erst solche Strategien durchdacht haben! Kreatives Nachdenken ist jedoch eine Kunstfertigkeit, fürs Nörgeln und Stänkern hingegen finden sich zahlreiche Vorbilder, von den eigenen Eltern angefangen, dass nichts näher liegt als deren Modell nachzuspielen. Und so wird vielen Kindern jegliche körperliche Lust verdorben...
Wie vermutlich auch dem "star wars kid": "...ein ins Netz gestelltes Video über seine unbeholfenen Sternenkrieger-Spiele" hat nämlich "einen 15jährigen Buben aus Quebec (Kanada) zum Gespött von Millionen Computerfreaks gemacht" (berichteten die "Salzburger Nachrichten" am 14. 8.). "Klassenkameraden hatten das Amateurvideo, auf dem Ghyslain mit einem Holzstock ein Laserschwert-Duell frei nach "Krieg der Sterne" nachstellt, entdeckt und heimlich im Internet verbreitet, wo der "patscherte Ritter" rasch zum absoluten Renner avancierte..." Und die SN zeigten noch sechs Stehbilder des dicklichen Jungen samt unterlegtem Blödeltext.
Das erinnerte mich an einen Supervisionsfall: im Zuge einer "Party" hatten ein paar Mitschüler ein halbwüchsiges Mädchen betrunken gemacht, die Benommene vergewaltigt, alles mit der Webcam aufgenommen und - ebenfalls in Internet gestellt.
Solche Verhaltensweisen sind im klinischen Sinn "pervers": das Wesen der Perversion ist eine grundlegende Feindseligkeit, die in Handlungen mündet, die andere schädigt und einem selbst zu einem Triumph verhilft. Leider bekommen die Opfer solcher perverser "Spiele" selten Beistand gegen ihre Peiniger, sondern oft die Empfehlung, sich eine "dicke Haut wachsen" zu lassen. Und das tun sie dann auch: sie werden immer dicker. Sie "rühren" sich nicht mehr vom Fleck. Sie "stellen sich tot". Ghyslain verbrachte den Rest des Schuljahres in der Jugendpsychiatrie. Seine Eltern wollen die Eltern seiner Spötter wegen Verletzung des Rechts auf das eigene Bild auf Schadenersatz klagen.
Ich kenne die Studien, die zeigen, dass solche Grausamkeiten, ja Verbrechen immer wiederholt werden, wenn die Gesellschaft nicht deutlich macht, dass diese Formen von "sozialer Gewalt" - oder neu: "medialer" Gewalt - eine Gesundheitsschädigung darstellen und daher die Peiniger zur Verantwortung zu ziehen sind. Insoferne ist Justizminister Böhmdorfer Achtung auszusprechen, dass er eine Überprüfung des Freispruchs für die "Ehrenbeleidigung" der Formulierung "Scheiss-Neger" angeordnet hat - die ja noch dazu von einem Exekutivbeamten, also einem Vertreter des Staates, ausgesprochen wurde. Nur weil jemand "anders" ist als man selbst - und vielleicht so, wie man selbst um gar keinen Preis (mehr?) sein möchte - , gibt das nicht das Recht, so einen Menschen zu demütigen oder auszugrenzen (z.B. aus der Krankenversicherung). Oder gar zu beseitigen.