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Debatte um Ursula von der Leyens | "Krippenoffensive". | SPD-Konzept: Sechs Milliarden Euro für Betreuung von Kleinkindern. | Berlin. Die Zahl der Krippenplätze verdreifachen will Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen bis zum Jahr 2013. Mit ihrer "Krippenoffensive" hat die CDU-Politikerin, selbst siebenfache Mutter, einen erbitterten Kulturkampf ausgelöst, der mit ungewohnt harten Bandagen geführt wird.
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Bischof attackiert die Familienministerin
Ihre Politik erinnere fatal an DDR-Zeiten, tönte es zunächst aus den Reihen der Ost-CDU. Sie sei kinderfeindlich und ideologisch verblendet und degradiere die Frauen zu "Gebärmaschinen", ließ der Augsburger Bischof Walter Mixa (66) verlauten; eine Äußerung, die von Renate Schmidt (SPD) als ungeheure Beleidigung apostrophiert wurde und SPD-Chef Kurt Beck verglich den katholischen Kirchenmann mit einem "kastrierten Kater".
Während es seit 1996 einen Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz für über Dreijährige gibt, ist Deutschland mit Krippen für jüngere Kinder krass unterversorgt - insbesondere in den alten Bundesländern. Deshalb will die Ministerin in den kommenden Jahren deren Zahl von 250.000 Plätzen auf 750.000 erhöhen. Das würde zwischen drei und vier Milliarden Euro kosten.
Länder und Kommunen gegen Einmischung
Davor liegen zwei Hürden: Erstens weiß niemand, woher das Geld kommen soll und zweitens hat der Bund seit der Föderalismusreform in Krippen, Kindergärten und Schulen nichts mehr zu sagen. Diese Bereiche ressortieren zu Ländern und Kommunen, die sich bereits eine Einmischung des Bundes verbeten haben.
Der Vorstoß von der Leyens hat die SPD in eine Zwickmühle gebracht. Nach der "Bäumchen-wechsle-dich"-Methode führt die Union publikumswirksam ihre Hinwendung zu bislang vernachlässigten Wählergruppen vor - junge Frauen und Alleinerzieher -, während sich die SPD müht, ihre Klientel nicht zu verlieren.
Die Kombination von Kindern und Beruf sei ein klassisches Thema der SPD, meint SPD-Fraktionschef Peter Struck. Er freue sich, daß Frau von der Leyen sich dem angeschlossen habe.
Um Terrain aufzuholen, stellte die SPD am Montag ein Finanzierungskonzept vor, nach dem bis zum Jahr 2010 mehr als sechs Milliarden Euro für den Ausbau und die Verbesserung der Betreuung von Kleinkindern eingesetzt werden sollen. Das Konzept sieht unter anderem Kürzungen des Kindergelds und des Kinderfreibetrags sowie des Ehegattensplittings vor. Die Familien würden also den Ausbau der Kinderbetreuung selbst bezahlen.
Dies sei unsozial und ungerecht: Das Ehegattensplitting zu kappen, bedeute beispielsweise, ältere Ehepaare, die steuertechnisch als kinderlos gelten, im Nachhinein zu bestrafen, erklärte von der Leyen. Und das Kindergeld nicht zu erhöhen, würde Eltern mit Schulkindern bestrafen, die nichts mehr von der Betreuung unter Dreijähriger hätten.
Im Grunde stehen sich in diesem Streit zwei Familienbilder gegenüber; das klassische, indem sich ein Elternteil entschließt, die ersten drei Jahre beim Kind zu Hause zu bleiben und das immer häufiger werdende, bei dem die Eltern Kinder und Erwerb vereinbaren wollen und auf externe Betreuung bauen.
Wie so oft bei ideologischen Debatten, haben beide Seiten beachtliche Argumente für sich. Die Konservativen fordern - nicht zu unrecht - eine ausreichende finanzielle Ausstattung der Familien, um die vom Bundesverfassungsgericht verlangte Wahlfreiheit zu realisieren.
Die Gegenseite verweist auf die gesellschaftlichen Realitäten und auf die Tatsache, daß etwa ein Drittel der Eltern mit der Erziehung ihrer Kinder überfordert sei.
Machtwort von der Bundeskanzlerin
Bundeskanzlerin Angela Merkel sprach in der Debatte Montag ein Machtwort: "Ich glaube, dass wir uns jetzt nicht im Kleinklein der Finanzierung sofort verlieren sollten", sagte sie und schlug vor, dass die Familienministerin mit den Ländern erst einmal Kontakt aufnimmt, welche Ziele sich die Länder gesetzt haben, und dass man dann in Ruhe darüber spricht, wie wir die Lage für die Eltern in Deutschland verbessern."