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Änderungsbedarf völlig unterschätzt

Von Christine Zeiner

Wirtschaft

Wifo-Chef Aiginger tritt für Änderung der Blum-Prämie ein. | Höherer Bedarf - höherer Bonus. | Wien. Die Regierung begibt sich für Freitag und Samstag in Klausur, und Karl Aiginger schickt ihr einige Wünsche mit auf den Weg. Die Forderungen des Chefs des Wirtschaftsforschungsinstituts (Wifo) sind bekannt, darunter die Adaption des Blum-Bonus (siehe Kasten). Man müsse sie allerdings in Erinnerung rufen und "am Ball bleiben", sagte Aiginger Dienstag Vormittag vor Journalisten. "Es wird völlig unterschätzt, wie groß der Veränderungsbedarf ist." Und das, obwohl das Wirtschaftswachstum besser "als das heutige Wetter" ist.


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Die gestern präsentierten Daten besagen, dass die österreichische Wirtschaft von 2007 bis 2011 im Durchschnitt um 2,5 Prozent pro Jahr zunehmen wird. Das ist deutlich mehr als in den vergangenen fünf Jahren und dennoch zu wenig, um der Tatsache, dass das in- und ausländische Arbeitskräfteangebot wächst, zu begegnen. Erst in einigen Jahren - Wifo-Experte Alois Guger geht von frühestens 2018 aus - wird sich das ändern. Und schon jetzt fehlen in einzelnen Sparten Facharbeiter - die 1500 beim Arbeitsmarktservice gemeldeten bis schätzungsweise 3000 gesuchten Schweißer, Dreher und Fräser stünden symptomatisch für die Probleme auf dem Arbeitsmarkt und im Ausbildungssystem.

Schlecht geplant

"Das ist sicher ein Zeichen schlechter Planung, auch ein Zeichen geringer Mobilität und ein Zeichen dafür, dass zu wenig eigener Nachwuchs ausgebildet wird", sagte Aiginger. In der Klausur sollte sich die Regierung daher der Blum-Prämie annehmen: Die Lehrlingsförderung sollte für jene Branchen und Betriebe höher sein, wo auch der Bedarf höher ist. Oft sei es derzeit der Fall, dass ein ausgebildeter Lehrling nicht in jenem Beruf tätig ist, den er lernte. "Es ist nicht Sinn der Lehre, dass man in diesem Lebensalter als billige Arbeitskraft zur Verfügung steht", hatte Aiginger kürzlich gegenüber der "Wiener Zeitung" gesagt.

Die Arbeiterkammer ortet überdies "Mitnahmeeffekte": Betriebe ließen sich billige Arbeitskräfte finanzieren und würden, nachdem die Förderung ausgelaufen ist, die Jugendlichen kündigen. "Mitnahmeeffekte hat es sicher gegeben, die Frage ist aber, ob es eine bessere Maßnahme der Lehrlingsförderung gibt", meint der Wifo-Chef. Sein Vorschlag lautet, den "neuen" Blum-Bonus zunächst auf einzelne Berufsgruppen anzuwenden, wie jene, bei denen bereits jetzt ersichtlich ist, dass es einen Personalmangel gibt bzw. geben wird - in erster Linie seien dies Informatiker und Mechatroniker. "Wenn sich die Situation in diesen Bereichen gebessert hat, kann man die Förderung ja wieder zurückfahren."

Mittelfristig müsse über die Kombination von Lehre und Matura nachgedacht werden sowie über ein verpflichtendes Kindergartenjahr. Aiginger hatte es ja als "Sünde" bezeichnet, dass das Pflicht-Jahr im Regierungsprogramm kein Thema ist: Nur so hätten Kinder beim Schuleintritt dieselben Voraussetzungen etwa, was die Sprachkenntnisse betrifft und könnten in Folge gut ausgebildet werden. Das sei notwendig, um den künftigen Facharbeiterbedarf mit qualifiziertem Personal decken zu können - denn ein Großteil der Stellen wird von Migranten besetzt werden.