Neue Tafel am Zentralfriedhof nennt die 50 Namen von Opfern NS-Justiz.
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Wien. Es waren Stationen des Grauens. Die Gestapo-Leitstelle im ehemaligen "Hotel Metropol" am Wiener Morzinplatz 4 und das Wiener Landesgericht 1. In den Kellern der Gestapo-Zentrale wurden Tausende verhört und gefoltert, Widerstandskämpfer, Sozialdemokraten, Katholiken, Opfer von Denunziationen, den Nazis Missliebige. Rund 1200 Widerstandskämpfer gegen das Terrorsystem der Nationalsozialisten wurden am Wiener Landesgericht 1 und am Schießplatz Kagran hingerichtet.
Katharina Sasso entging dem Todesurteil nur knapp. Als Kind einer das Naziregime ablehnenden Wiener Arbeiterfamilie geriet Sasso schon als Schülerin ins Visier der NS-Schergen. Sie übte Kritik an der Ausgrenzung und Erniedrigung ihrer jüdischen Schulkollegen. Nach dem Tod ihrer Mutter übernahm Sasso Tätigkeiten in einer Widerstandsgruppe, mit 16 wurde sie verhaftet und im "Hotel Metropol" von der Gestapo gefoltert. Angeklagt wegen Hochverrats, saß sie ein Jahr lang im Wiener Landesgericht 1 in Haft, erlebte die Hinrichtungen anderer Widerstandskämpfer. Schließlich wurde sie als politischer Häftling ins Konzentrationslager Ravensbrück verschleppt. Kurz vor Kriegsende konnte sie mit einer Freundin einem der berüchtigten Todesmärsche entkommen und kehrte nach Wien zurück.
Späte Aufarbeitung
Katharina Sasso ist heute 89 und eine der letzten noch lebenden Zeitzeugen und Opfer der Zeit des Nationalsozialismus. Seit Jahren kämpft sie unermüdlich für die öffentliche Anerkennung und Würdigung der Opfer der NS-Unrechtsjustiz. Am Dienstag wurde am Wiener Zentralfriedhof an der Gräbergruppe 40, unter Beisein von Bundeskanzler Werner Faymann, eine Gedenktafel eingeweiht. "Wie schön, dass ich das in meinem Alter noch erleben darf", sagte Sasso zur "Wiener Zeitung". Am Areal der Gruppe 40 liegen zahlreiche Opfer der NS-Justiz begraben, heute erinnern dort Gedenksteine von Angehörigen und Opferverbänden an die Toten. Die Einweihung der neuen Gedenktafel ist vor allem dem jahrelangen Engagement von Katharina Sasso zu verdanken. Die neue Gedenktafel trägt die Namen von rund 50 NS-Opfern, die hier begraben waren und später exhumiert wurden sowie jenen, die anderswo begraben worden waren. So wie der Vater von Gerhard Kastelic, Bundesobmann der "ÖVP-Kameradschaft der politisch Verfolgten und Bekenner für Österreich". Kastelics Vater wurde im Landesgericht exekutiert, sein Leichnam wurde, sowie zahlreiche andere auch, erst nach dem Krieg in der Gerichtsmedizin entdeckt.
Es dauerte lange, bis den Opfern der NS-Justiz in Österreich Anerkennung und Würdigung zuteil wurde. Erst 2013 wurde die nationale "Gedenkstätte für die Opfer der NS-Justiz - Gruppe 40" am Zentralfriedhof eingerichtet. Sowohl Kastelic als auch Sasso sagten, dass erst "die Kriegsgeneration wegsterben" musste, damit den marginalisierten Opfergruppen Gerechtigkeit zuteil werden konnte. "Als erste Gruppe der NS-Opfer wurden nach dem Krieg politisch Verfolgte anerkannt", weiß Kastelic. "Das lag vor allem daran, dass viele Politiker der Nachkriegszeit selbst von den Nazis verfolgt wurden, im KZ einsaßen."
Erst danach erfolgte die Hinwendung zu den Opfergruppen der Juden, der Roma und Sinti sowie der Homosexuellen. Die Anerkennung der Opfer der NS-Justiz wie auch der Wehrmachtsdeserteure erfolgte zuletzt. Speziell Letztere erfuhren mit dem Deserteurs-Denkmal, das im Oktober 2014 am Wiener Heldenplatz eingeweiht wurde, eine späte Würdigung. Zuvor hatte der ehemalige Wehrmachts-Deserteur und NS-Überlebende Richard Wadani jahrelang um die Anerkennung der Wehrmachts-Deserteure gekämpft.