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Anerkennung gegen Rückzug

Von Hans Dahne

Politik

Jerusalem - Saudi-Arabien hat mit der Nahost-Friedensinitiative Unruhe bei Freund und Feind gestiftet. In Israel rätseln Politiker und Medien, ob es sich um einen Testballon oder einen ernsthaften Vorschlag handelt. Nach israelischen Medienberichten plagt Ministerpräsident Ariel Sharon die Sorge, dass die Arabische Liga die Initiative auf ihrem Gipfeltreffen Ende März in Beirut verabschieden und die USA und die EU diese unterstützen könnten. "Lasst uns sehen, wie Sharon das dann ablehnt", schreibt die Tageszeitung "Maariv".


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Der saudi-arabische Thronfolger Abdullah Ben Abdel Aziz hatte in einem Gespräch mit dem "New York Times"-Korrespondenten Thomas Friedman vorgeschlagen, dass sich Israel auf alle Positionen vor Beginn des Sechs-Tage-Krieges von 1967 zurückzieht. Im Gegenzug sollen die arabischen Länder Israel diplomatisch anerkennen und Sicherheitsgarantien abgeben. Außerdem soll der Handel normalisiert werden. Israel könnte die Souveränität über die Klagemauer und das jüdische Viertel in der Altstadt von Jerusalem behalten.

Erstmals signalisierte einer der wichtigsten Verbündeten der USA in der Region, dass statt des bisher geforderten vollständigen Rückzugs Israels aus den besetzten Palästinensergebieten auch ein Gebietsaustausch akzeptabel wäre. Das umstrittene Rückkehrrecht von mehr als 3,8 Millionen palästinensischen Flüchtlingen und Vertriebenen bleibt unerwähnt. Der "dramatische Vorschlag" sei "die bedeutendste Kehrtwende in der arabischen Welt" seit dem Besuch des ägyptischen Präsidenten Anwar el Sadat 1977 in Jerusalem und der Madrider Friedenskonferenz, schreibt "Maariv". "Der Vorschlag ist nicht neu", sagt dagegen der palästinensische Botschafter bei der Arabischen Liga, Mohammed Sobieh.

1996 hatten alle arabischen Länder erstmals auf dem Gipfel von Kairo den Nahost-Friedensprozess anerkannt. Die gängige Formel lautet seither, dass der Grad der Normalisierung zu Israel vom Grad des Rückzugs aus den besetzten arabischen Gebieten abhänge.

Lange Jahre hielt sich Riad mit öffentlichen Erklärungen zurück, bevor der 78-jährige Kronprinz in Reden und Interviews immer öfter Klartext redete. In Israel rätseln Politiker und Kommentatoren über die Motive Abdullahs. Ist es Frustrationsbewältigung wegen einer völlig verfahren und ausweglos scheinenden Lage im Nahen Osten? Oder will das Königshaus sein angekratztes Image aufpolieren, nachdem 15 Saudis an den Attentaten vom 11. September direkt beteiligt waren?

"Maariv" erinnert daran, dass sich Ägypten und Saudi-Arabien bei den Friedensverhandlungen von Camp David im Juli 2000 trotz dringender Telefonanrufe der Amerikaner wenig hilfreich erwiesen hätten. Derzeit ist nicht vorhersagbar, ob die saudische Initiative das gleiche Schicksal ereilen wird wie die nie umgesetzten Clinton-, Mitchell- und Tenet-Pläne. Ein Fragezeichen steht dahinter, ob die Arabische Liga überhaupt Friedenssignale senden will, solange die israelischen Militäraktionen in den Autonomiegebieten weitergehen und Palästinenserpräsident Arafat unter Hausarrest bleibt.

Ebenso fraglich bleibt, wie sich die Regierung Sharon verhält. Knapp zwei Wochen tat sie so, als ob der Vorschlag nicht existent sei. Jetzt hat Sharon die US-Regierung um die Vermittlung geheimer oder öffentlicher Kontakte zu Abdullah gebeten. Dore Gold, einer der Berater Sharons, wird in der Presse mit der Aussage zitiert, dass es nicht viel zu diskutieren gebe: Jerusalem bleibe ungeteilt, und Israel werde nicht zu den Grenzen von 1967 zurückkehren.