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Anerkennung, von allen

Von David Ignatius

Gastkommentare
Der Autor war Chefredakteur der "International Herald Tribune". Seine Kolumne erscheint auch in der "Washington Post".

Nach dem Abgang Michael Flynns als Nationaler Sicherheitsberater bleiben viele Fragen offen, die Untersuchung zu Russlandgate läuft.


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Seltsame und verschlungene Pfade führten Michael Flynn Ende Dezember zu seinen Telefonaten mit dem russischen Botschafter Sergej Kislyak und zum Ende seiner bemerkenswerten Karriere. Militär- und Geheimdienstkollegen, die mit Flynn gearbeitet haben, beschreiben ihn als brillanten Taktiker, der durch seine Arbeit im Joint Special Operations Command (JSOC) jedoch nicht auf die größere Herausforderung als Chef des Verteidigungsnachrichtendienstes (DIA) vorbereitet war, einen Posten, aus dem er 2014 entfernt wurde, und auch nicht auf die Position des Nationalen Sicherheitsberaters, die er seit Anfang der Woche nicht mehr innehat. "In der Welt des JSOC glaubt man, Superman zu sein", sagt ein früherer Pentagon-Vorgesetzter von Flynn. Nach der Enttäuschung im Geheimdienst DIA "wollte Flynn Anerkennung, von allen". Die Russen schenkten ihm Aufmerksamkeit. Und Flynn zeigte sich erkenntlich. Der DIA, ein chaotischer Geheimdienst mit fast 20.000 Mitarbeitern, die meisten von ihnen Zivilisten, schnitt unter den Geheimdiensten am schwächsten ab. Flynn versuchte, alles auf einmal zu richten. Er hatte den ehrgeizigen, aber unrealistischen Plan, den Geheimdienst zu Missionszentren zu verschmelzen. Seine Vorgesetzten sagten nein. Flynn machte weiter. Die Mitarbeiter klagten über schlechte Führung und Demoralisierung.

Bei Flynn setzte ein Enthusiasmus ein, die Beziehungen zu Russland zu verbessern, das er als natürlichen Terrorabwehrpartner sah. 2013 besuchte er den russischen Militärgeheimdienst GRU. Anschließend setzte er sich für mehr Zusammenarbeit bei der Überwachung chemischer Waffen in Syrien ein. Auch nach der Krim-Invasion Russlands 2014 schlug Flynn vor, die Geheimdienstchefs von ihren Auslandseinsätzen zu Diskussionen nach Washington einzuladen. Seine Vorgesetzten lehnten den aus ihrer Sicht zeitlich höchst unpassenden Vorschlag ab.

Nach seinem Rausschmiss 2014 klagte Flynn, dieser gehe auf Meinungsverschiedenheiten über Nahoststrategien zurück. Kollegen sagten damals, es habe sich einfach um einen Managementfehler gehandelt - guter Mann auf falschem Posten. Flynn, verbittert, setzte sich weiter für eine engere Zusammenarbeit mit Russland ein und begann mit seinen scharfen Vorwürfen gegen die Regierung Obama. Al-Jazeera-TV sagte er zum Beispiel, dass der Aufstieg der Terrormiliz Islamischer Staat "in Washington beabsichtigt" sei. 2016, während Russland laut US-Geheimdiensten durch Hackerangriffe in den Präsidentschaftswahlkampf eingriff, hatte Flynn mehrmals Kontakt mit Kislyak. Das verhängnisvolle Gespräch fand Ende Dezember statt (Flynn und Kislyak sprachen über die Sanktionen der USA gegen Russland), während die Regierung Obama 35 Diplomaten auswies. Flynns Fall ist eine peinliche Geschichte, mit vielen offenen Fragen. Die vielleicht wichtigste Frage ist, warum ein pensionierter General, gewöhnt an Rangordnung und Befehl, sich mit Kislyak eingelassen hat, ohne das vorher mit seinem Chef, Donald Trump, zu besprechen. Die Untersuchung von Russlandgate hat gerade erst begonnen.

Übersetzung: Hilde Weiss