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Anfang und Ende der Ära Kreisky

Von Peter Pelinka

Gastkommentare
Peter Pelinka ist freier Journalist und Gesellschafter der Medientrainingsfirma "intomedia".
© Ricardo Herrgott

1. März 1970 bis 24. April 1983: Die SPÖ gewann fünf Wahlen, davon drei absolut.


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Die erste Phase der großen Koalition nach 1945 ging am 6. März 1966 zu Ende: Die SPÖ bekam bei der Wahl den Denkzettel für deren Abnützung und für ihre innere Uneinigkeit (Olah-Krise) präsentiert. Mein Vater, ein ÖVP-Mitglied, hatte dies bereits beim sonntäglichen Frühstückstisch schmunzelnd vorausgeahnt: "Ich glaub, ich seh schwarz!"

Die SPÖ zog personelle Konsequenzen: Ende Jänner 1967 wurde Bruno Kreisky nach Bruno Pittermann Parteichef. Unter ihm gelang eine glaubwürdige Modernisierung. Das Verhältnis zur katholischen Kirche wurde in Kontakt mit Kardinal König entkrampft, 1400 Experten mit und ohne Parteibuch erarbeiteten die "Alternative für ein modernes Österreich", das mit Hannes Androsch erarbeitete Wirtschaftsprogramm "Leistung - Aufstieg - Sicherheit" erregte Aufsehen. Dieser Liberalisierungsprozess machte sich für die SPÖ bezahlt. Sie erreichte am 1. März 1970 mit 48,4 Prozent erstmals das Kanzleramt. Mein Vater war not amused, ich schon: Die Wellen der 68er-Stimmung hatten auch mich im konservativen Gymnasium nach links getrieben. Noch in der Wahlnacht vereinbarte Kreisky mit FPÖ-Obmann Friedrich Peter einen Deal: Tolerierung einer SPÖ-Minderheitsregierung, im Gegenzug ein minderheitenfreundlicheres Wahlrecht.

Die Ära Kreisky war quantitativ wie qualitativ einmalig in der Zweiten Republik. 13 Jahre lang stand der "Sonnenkönig" an der Spitze einer Alleinregierung, viermal gewählt von jeweils wachsenden Mehrheiten. Aus der relativen von 1970 wurden 1971, 1975 und 1979 absolute. Dafür verantwortlich waren liberale Reformen, vor allem im Justiz- (Christian Broda) und Bildungswesen (Hertha Firnberg), die "austrokeynesianische" Wirtschaftspolitik (Androsch). Zentral verantwortlich war Kreisky, dessen Erfahrungen geprägt waren von der zerbrechenden Monarchie, der zugrunde gerichteten Ersten Republik, dem austrofaschistischen Ständestaat und seiner Emigration während der Nazi-Herrschaft.

1979 feierte der Kanzler seinen größten Triumph: Die SPÖ wurde von mehr als 51 Prozent gewählt - trotz der Niederlage Kreiskys bei der Zwentendorf-Volksabstimmung. Auch viele AKW-Gegner honorierten die Respektierung des Volksentscheides. Die Wolken am rötlichen Horizont wurden aber dichter. Die sozialliberale Ära in der BRD ging zu Ende, in Großbritannien (Thatcher ab 1979) und in den USA (Reagan ab 1981) begann das neokonservative Zeitalter. Der Spielraum für einen eigenständigen "österreichischen Weg" wurde immer enger. Und der auch persönlich heftige Streit zwischen Kreisky und seinem einstigen "Kronprinzen" Androsch für die gesamte SPÖ immer belastender.

1983 wollte es Kreisky noch einmal wissen. Ein Ärzteteam hatte grünes Licht für die Kandidatur des 72-Jährigen gegeben, der dreimal pro Woche zur Blutwäsche musste und im Wahlkampf entsprechend geschwächt auftrat, was alle ihn begleitenden Journalisten - auch ich - mitbekamen. Mit Finanzminister Herbert Salcher legte er ein Konsolidierungsprogramm für das Budget vor - von den Medien "Mallorca-Paket" getauft -, das unter anderem auch eine von den Gegnern "Sparbuchsteuer" titulierte Besteuerung der Zinserträge (Quellensteuer) vorsah. In früheren, besseren Zeiten hätte Kreisky das Programm besser "verkaufen" können, jetzt war er dazu zu krank und müde. Selbst im ORF-Duell hatte er seinen neuen Herausforderer Alois Mock nicht mehr so klar distanzieren können wie noch dessen Vorgänger Josef Taus.

Die SPÖ erreichte am 24. April 1983 zwar immer noch 47,8 Prozent der Stimmen und 90 Mandate (die ÖVP 81, die FPÖ 12), diesmal aber hielt Kreiskys Rücktrittsankündigung. Eine Koalitionsregierung wollte er sich nicht mehr antun. Aber er stellte noch einmal die Weichen: Noch am Wahltag versammelte er in der Parteizentrale seine engsten Vertrauten um sich, darunter Heinz Fischer und Karl Blecha. Ihnen offenbarte er, dass er Vizekanzler Fred Sinowatz zum Nachfolger designieren und eine Koalition mit der FPÖ empfehlen wolle. Die Ära Kreisky war vorbei.