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"Angebote statt Hürden"

Von Christian Rösner

Politik

Für das rot-grüne Modell der Wiener Mindestsicherung wurden Projekte zur Arbeitsmarktintegration erarbeitet.


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Wien. Als "wilde Spekulation" bezeichnete man in Verhandlerkreisen nun die mediale Berichterstattung über die angekündigte neue Regelung der Wiener Mindestsicherung, in der unter anderem von einer Kürzung bei Kindern die Rede war. Dass im Zuge der Neuregelung Sachleistungen und Maßnahmen zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt stärker gewichtet werden sollen, wurde aber nicht bestritten.

Wie berichtet, hätte das neue Modell am Wochenbeginn von der rot-grünen Stadtregierung präsentiert werden sollen. Der Termin wurde aber gleich wieder abgesagt und um eine Woche verschoben - was sogleich Gerüchte über mögliche Zerwürfnisse zwischen den Koalitionspartnern nährte. Ein "handwerklicher Schnitzer" sei dafür verantwortlich gewesen und keine inhaltlichen Differenzen, wurde im Büro des Bürgermeisters betont. Und auch bei den Grünen sprach man von einer "Übereifrigkeit" der SPÖ in dieser Sache.

Opposition nützt Schweigen

Da sich nun aber die beiden Regierungspartner nicht selbst ihre eigene Präsentation am kommenden Dienstag verderben wollen und sich momentan dementsprechend verschwiegen zeigen, nutzten etwa die Neos die Gunst der Stunde, um ihr eigenes Modell zur Mindestsicherung vorzustellen. Auch die ÖVP ließ den medialen Fokus auf das Thema nicht unkommentiert an sich vorüberziehen und sprach einmal mehr von einem "rot-grünen Streit", der der Stadt täglich 1,8 Millionen Euro koste. Und das vor dem Hintergrund, dass Rot-Grün bereits seit acht Monaten über das Thema verhandle. Die Wiener Mindestsicherung sei "ein Sozialmagnet für alle, die möglichst viel bekommen, aber möglichst wenig tun wollen", wie ÖVP-Landesparteiobmann Gernot Blümel erklärte.

Bei der grünen Chefverhandlerin Birgit Hebein nachgefragt, wurde um Verständnis gebeten. "Das Ganze ist mir zu wichtig. Es geht um 200.000 Menschen. Deswegen will noch nichts Inhaltliches darüber sagen", meinte Hebein im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Nur so viel: "Nach über acht Monaten intensiven Verhandlungen haben wir uns mit der SPÖ auf eine neue soziale Absicherung für Menschen in Notsituationen geeinigt. Das Herzstück ist, neue konkrete, strukturelle Lösungen anzubieten, damit Menschen, u.a. junge Menschen eine Chance haben, sich eine Zukunft ohne Mindestsicherung aufbauen können."

Laut den Grünen würden sich ÖVP-dominierte Bundesländer in Sachen Mindestsicherung nur darauf konzentrieren, Hürden zu schaffen und Menschen zu selektieren, damit so wenige wie möglich in die Mindestsicherung kommen. Die Alternative dazu sei, strukturelle Veränderungen und Angebote zu schaffen, die es den Betroffenen ermöglichen, so schnell wie möglich wieder aus der Mindestsicherung herauszukommen, wie ein Insider erklärte.

"Schneller als Bildungsreform"

Aus dem Büro der zuständigen Stadträtin Sandra Frauenberger war Ähnliches zu hören. Zur langen Verhandlungsdauer mit den Grünen meinte eine Sprecherin, dass das nichts Ungewöhnliches sei, zumal es sich um grundlegende Veränderungen im System handle und es dazwischen einen Stadtratwechsel gab. Im Vergleich zur Bildungsreform auf Bundesebene sei man sogar sehr schnell zu einem Ergebnis gekommen, wurde betont. Außerdem mussten Projekte zur Arbeitsmarktintegration geplant und koordiniert werden - "und das geht eben nicht von heute auf morgen".

Der Anstieg der Zahl von Asylberechtigten in der Mindestsicherung ist für die rot-grüne Stadtregierung im Übrigen "logisch erklärbar". Die Menschen würden nämlich erst ab der Berechtigung dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen und am Anfang automatisch in die Mindestsicherung fallen. Würde man deswegen, wie etwa in Oberösterreich, die Mindestsicherung kürzen, dann würden sich die Probleme in andere soziale Bereiche der Stadt verlagern. "Wir machen keine Symbolpolitik, sondern wir wollen, dass alle Menschen einen Zugang zum Arbeitsmarkt finden", hieß es.

Mehr Geld bei Teilzeitjob

Für die Neos ist die Mindestsicherung in Wien derzeit mehr ein Auffangnetz als ein Sprungbrett. Auch sie empfehlen eine Reform statt Kürzungen sowie eine stärkere Gewichtung von Sachleistungen. Das am Dienstag präsentierte Neos-Modell sieht sogar vor, dass Personen, die eine gering bezahlte Beschäftigung - etwa einen Teilzeitjob - annehmen, eine höhere Zuwendung erhalten als bisher. Allerdings solle diese "Einschleifregelung" nach 15 Monaten auslaufen. Eine weitere Forderung ist eine - schon oft diskutierte - Residenzpflicht für anerkannte Flüchtlinge. Damit soll laut Neos der Zuzug von Mindestsicherungsempfängern nach Wien reduziert werden.

Nachdotierung nötig

Für die ÖVP ist jedenfalls die Stadtregierung verantwortlich dafür, dass die Zahl der Mindestsicherungsbezieher seit Rot-Grün von 106.675 im Jahr 2010 auf knapp 200.000 im Jahr 2016 angestiegen ist. Die Ausgaben für die Mindestsicherung hätten sich im selben Zeitraum von 290 Millionen Euro 2010 auf 649 Millionen Euro 2016 mehr als verdoppelt. Und tatsächlich rechnet Frauenberger auch für heuer wieder mit einer Nachdotierung auf mehr als 700 Millionen Euro, da die ursprünglich vorgesehenen Mittel nicht ausreichen werden. Und daran wird wohl auch das neue Modell nichts ändern, das am Dienstag präsentiert werden soll.