Die Demokraten sind uneinig - was war es, das den großen Durchmarsch verhindert hat?
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Etwas ist schiefgegangen", gibt Cheri Bustos, Abgeordnete aus Illinois, zu. Sie meint damit den Wahlausgang - speziell für ihre Partei, die Demokraten. Und macht die falsche Modellrechnung der Umfragen verantwortlich. "Die haben alle in eine politische Richtung gezeigt, aber die Wähler haben gewählt wie 2016." Bustos ist nicht irgendjemand: Sie war für die Kampagne an vorderster Front tätig.
Die "New York Times" berichtet von Tränen, Flüchen und Schuldzuweisungen, die die Demokraten untereinander ausgeteilt haben - als sie sich nach den Wahlen zu einem außertourlichen Parteitreffen versammelt haben. Was ist nun schiefgegangen? Manche träumten von der Blauen Welle, man wollte die Mehrheit im Repräsentantenhaus ausbauen, man hielt die Mehrheit im Senat für greifbar und dass Joe Biden der nächste US-Präsident wird, war sowieso ausgemachte Sache.
Joe Bidens Wahl entpuppt sich als zum Nervenspiel, und in beiden Kongresskammern ist bereits Katerstimmung eingezogen. Im Repräsentantenhaus - das vollständig neu gewählt wurde - verloren die Demokraten mindestens sechs Sitze, was ihre Mehrheit dort ausdünnte.
Die demokratische Mehrheit im Senat, der zu einem Drittel neu gewählt wurde, wurde ebenfalls ins Reich der Utopien zurückgeschickt. Nach derzeitigem Auszählungsstand liegen Demokraten und Republikaner bei jeweils 48 Sitzen, vier Sitze sind noch offen. Derzeit wahrscheinlichstes Szenario ist, dass die Republikaner zwei davon holen und zwei weitere erst bei Stichwahlen zwischen den beiden bestplatzierten Kandidaten Anfang 2021 vergeben werden.
Nun darf erwähnt werden, dass auch das Wahlsystem für die Kongresskammern es den Demokraten grundsätzlich schwerer macht, sich hier durchzusetzen. Aus jedem Bundesstaat werden zwei Senatoren in die Obere Kammer geschickt. Egal, ob es sich um einen gering bevölkerten Bundesstaat wie Alaska handelt, oder um einen dicht bevölkerten wie Kalifornien oder New York.
Anders bei der Wahl zum Repräsentantenhaus, wo es sehr wohl auf die Bevölkerungsgröße ankommt - aber wo die Demokraten dank Gerrymanderings ebenfalls tendenziell unterlegen sind. Gerrymandering ist die hohe Kunst, eine hypothetische Gemeinde von 90, die zwar 60 demokratische Wähler hat, in einen republikanischen Hort umzuwandeln. Das geht etwa, wenn 90 in drei gleiche Teile gesplittet werden: Dann wären in einem Teil 30 Demokraten, in den anderen zwei Teilen jeweils nur 15 Demokraten, die sich dort einer Mehrheit von je 20 Republikanern gegenübersehen: Zwei von den drei Bezirken haben dann republikanisch gewählt - und der republikanische Kandidat wird gewählt.
"Strategie wechseln"
Aber die Demokraten kennen natürlich diese Herausforderungen - und waren trotzdem so optimistisch.
Die Abgeordnete Abigail Spanberger, die sich nur knapp vor einer Niederlage in Virginia gerettet hat, klagte offen die Fehler an: Ihre progressiven Parteikollegen hätten zu stark bei den Demonstrationen gegen Polizeigewalt gegen die Polizisten gewettert. Und auch den Diffamierungen der Republikaner, dass die Demokratische Partei aus Sozialisten und Marxisten besteht, wurde nicht entschieden genug entgegengetreten. Wenn die Demokraten diese Wahlresultate nicht als Scheitern betrachten und ihre Strategien wechseln, dann würden sie "verdammt noch mal vernichtet" werden bei den kommenden Wahlen. Nancy Pelosi, die Sprecherin der Mehrheit im Repräsentantenhaus, widersprach dem: "Es war kein Versagen. Wir haben das Repräsentantenhaus gewonnen."
Viele Demokraten dachten, der Unmut gegen Trump werde so groß sein, dass eine Mehrheit überall möglich werde. So war man so überschwänglich und unvorsichtig, dass Werbemillionen in jene Gemeinden gesteckt wurden, die traditionell republikanisch sind - anstatt die eigenen Reviere abzustecken und zu verteidigen.
Nur Zusammenarbeit möglich
Man träumte vor der Wahl lautstark von Änderungen in der Verfassung, das System des Filibusters wollte man etwa abschaffen. Aber die Amerikaner wollen wohl keinen Wandel, der so viele Umwälzungen mit sich bringt. Es ist nur selten, dass alle drei Machtzentren - Weißes Haus, Senat und Abgeordnetenkammer - von derselben Partei bestückt werden. Das macht die Entscheidungsfindung kompliziert, vor allem wenn die Parteien nicht an einer Zusammenarbeit interessiert sind. Egal, wer im Weißen Haus sitzt.(wak)