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Angekratzt

Von WZ-Korrespondent Silviu Mihai

Politik

Rumäniens Präsident Klaus Johannis, selbst ernannter politischer Saubermann, soll sich Immobilien erschlichen haben.


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Sibiu. Seit mehr als einem Jahr fragten sich rumänische Medien immer wieder, wie der ehemalige Physiklehrer und Schulamtsleiter Klaus Johannis sechs Immobilien im Zentrum von Sibiu (Hermannstadt) erwerben konnte. Schließlich sind und waren die Gehälter im Bildungssystem so niedrig, dass sich ein Lehrerpaar kaum für einen Hypothekenkredit qualifiziert. Der Hinweis des heutigen Präsidenten auf seine Einnahmen aus Privatunterricht sowie auf die sprichwörtlichen Tugenden der Siebenbürger Sachsen, wie Sparsamkeit und Fleiß, schienen wenig überzeugend zu sein. Jetzt haben investigative Journalisten aus Bukarest offenbar die Antwort gefunden. Die Geschichte ist höchst peinlich für den wirtschaftsliberalen Politiker, der sein Image des ehrlichen, deutschstämmigen Staatsmannes erfolgreich kultiviert hat.

Doch von Beginn an: Vor dem Zweiten Weltkrieg gehörten zwei schöne Häuser in unmittelbarer Nähe des Hermannstädter Großen Rings einem gewissen Eliseu Ghenea. Der Mann hatte sie in den 1930ern gekauft, nachdem er ein kleines Vermögen in den USA gemacht hatte. Zu seinem Unglück beschloss Ghenea, nach Rumänien zurückzukehren, wo ihn nach dem Krieg die Machtübernahme durch die Kommunistische Partei erwischte. Seine Häuser wurden verstaatlicht, der kinderlose Arbeiter starb 1969.

Doch die zwei Immobilien blieben in der Erinnerung der Familienangehörigen. Kurz nach der Wende unterzeichnete Nicolae Bastea, ein Neffe der längst verstorbenen Frau von Eliseu Ghenea, sein Testament. Im 1991 redigierten Dokument nimmt der Rentner Bezug auf die sich noch immer in staatlichem Besitz befindlichen Häuser und hinterlässt sie größtenteils seinem einzigen Sohn, Ioan Bastea. Lediglich zwei Wohnungen sollen demnach an eine Familienfreundin übergehen - die Englischlehrerin und heutige First Lady Rumäniens - Carmen Johannis.

Solche testamentarischen Verfügungen waren nicht unüblich: Schließlich wusste in den 1990er Jahren niemand so genau, was mit den vor der Wende verstaatlichen Immobilien passieren sollte. Die damaligen Opposition, darunter auch die Nationalliberale Partei, der viel später Klaus Johannis beitrat, forderte schon damals die Rückgabe des konfiszierten Eigentums an die Vorkriegsbesitzer. Davon ungestört traf die linke Regierung die Entscheidung, eher die Mieter zu bevorzugen, und verkaufte ihnen bis 1997 sämtliche Wohnungen, die der Staat noch im Besitz hatte. Auch die zwei zentral gelegenen Häuser in Sibiu waren davon betroffen.

Gefälschter Erbschein

Nachdem eine liberal-konservative Koalition an die Macht kam, beschlossen allerdings viele ehemalige Eigentümer oder ihre Nachfahren, sich dies nicht länger gefallen zu lassen: Es folgte eine riesige Klagewelle gegen den Staat, die bis heute andauert. Die Klagen waren in aller Regel erfolgreich. Die Gerichte erklärten die Verstaatlichungsdekrete für nichtig, das spätere Verkaufen "gestohlenen Eigentums" meistens ebenso.

So verklagen auch die befreundeten Familien Bastea und Johannis 1997 den Staat und fordern aufgrund der Testamente von Eliseu Ghenea und Nicolae Bastea die Rückgabe der beiden Immobilien sowie die Nichtigkeitserklärung der Kaufverträge mit den früheren Mietern. Mit Erfolg: Zunächst wird Eliseu Ghenea wieder ins Grundbuch als Eigentümer der Häuser eingetragen, dann überträgt ein Notar die Immobilien auf die angeblichen Erben. Schließlich bekommt Klaus Johannis eine Vollmacht, alles weitere im Namen seiner Familienfreunde zu erledigen, als diese sich für eine Auswanderung in die USA entscheiden.

Im Jahr 2000 wird Johannis Bürgermeister von Sibiu. Im Erdgeschoß einer der Immobilien befindet sich ein kleiner, aber attraktiver Gewerberaum, den der Bevollmächtigte an eine Filiale der Raiffeisen Bank vermietet. Die jährliche Miete beträgt anfangs lediglich 10.000 Dollar, doch die Stadt entwickelt sich schnell, Rumänien tritt der EU bei, und die Preise steigen. Heute zahlt die Raiffeisen Bank 60.000 Euro im Jahr für das direkt an der Flaniermeile gelegene Objekt. Die Mieteinnahmen ermöglichen Familie Johannis im Laufe der Jahre den Erwerb zweier weiterer Häuser und einer Sechszimmerwohnung.

Nur der Plan, die früheren Mieter und heutigen Eigentümer der anderen Immobilie zu enteignen, scheint langsam ins Wanken zu geraten. Die Prozessgegner von Johannis stellen sich quer, ziehen ihrerseits vors Gericht - und entdecken, dass das angebliche Testament von Eliseu Ghenea eigentlich nicht von ihm geschrieben wurde. Außerdem erweist sich auch einer der Erbscheine als gefälscht. Ein Gericht gibt ihnen bereits 2005 recht, doch der Bürgermeister geht in Berufung, manche Akten gehen erstaunlicherweise verloren. Als Johannis Ende 2014 zum Staatspräsidenten gewählt wurde, spricht keiner mehr von diesem Prozess. Nun veröffentlichten allerdings Journalisten des Investigativ-Portals "Rise Projects" nach mühsamen Recherchen alle Dokumente. Aus den grafologischen Expertisen und den längst vergessenen Gerichtsakten geht hervor, dass sich der heutige Präsident und seine Frau einer Urkundenfälschung bedient haben, um an die zwei Immobilien zu gelangen.

Der nächste Gerichtstermin im zivilrechtlichen Prozess gegen Familie Johannis findet am 5. September statt. Das Präsidialamt lehnte es ab, sich dazu zu äußern. Eine strafrechtliche Verfolgung von Johannis gilt als unwahrscheinlich, da dieser eine allumfassende Immunität genießt. Doch Johannis’ Image nimmt erste erhebliche Kratzer - und mit den schönen Mieteinnahmen von Raiffeisen könnte auch bald Schluss sein.