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Angekündigte Katastrophen finden selten statt

Von Tamara Arthofer

Analysen

Sportveranstaltungen schüren stets auch Ängste - doch Panik ist fehl am Platz.


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Die Nervosität war spürbar in den vergangenen Tagen und Wochen, und das hat durchaus seine Berechtigung. Am 5. September jährt sich der Anschlag eines palästinensischen Terrorkommandos auf das israelische Olympia-Team zum 40. Mal, laut "Sunday Times" befürchtet der israelische Geheimdienst eine Art "Jubiläumsanschlag". Zudem hat vor eineinhalb Wochen ein Anschlag auf israelische Bustouristen in Bulgarien die ohnehin schon angespannte Atmosphäre zwischen Israel und dem Iran weiter verschlechtert. Und Großveranstaltungen wie Olympia bieten nun einmal leichte Ziele, so die gar nicht so unterschwellige Angst, die sich hartnäckig in den Köpfen vieler Menschen hält.

Freilich ist ein Bedrohungsszenario bei Massenzusammenkünften aller Art stets gegeben. Andererseits aber sind die Sicherheitsvorkehrungen bei sportlichen Großveranstaltungen so massiv wie nur selten sonst. Jener verheerende Anschlag in München 1972, bei dem elf israelische Sportler getötet wurden, ein Polizist und fünf Attentäter starben, hat die Olympischen Spiele diesbezüglich radikal verändert.

Konnte man früher einfach ins olympische Dorf spazieren - wie es eben auch die Terroristen unbehelligt taten -, ist es nun eher mit Fort Knox zu vergleichen. Man bekommt eher eine Audienz beim Papst als eine Zugangsberechtigung für das Olympia-Dorf.

Insgesamt sollen die Sportler, Fans und Londoner von 18.200 Soldaten geschützt werden, auf den Straßen werden um 9500 Polizisten mehr als sonst patrouillieren. "Es ist die größte Polizeiaktion in Friedenszeiten", sagt der Sicherheitsbeauftragte Chris Allison. Dazu wurden im Vorfeld penibel alle möglichen Eventualitäten durchgespielt, damit im Fall des Ernstfalles nicht jene fatalen Fehler passieren, die in München bei den missglückten Befreiungsaktionen passiert sind.

Das Internationale Olympische Komitee wiederum versucht ebenfalls auf seine Weise, die Lage zu kalmieren, wenn auch aus anderen Motiven. Um arabische Länder nicht zu provozieren, weigert es sich vehement, bei der Eröffnung der Spiele heute, Freitag, eine Schweigeminute für die Opfer von München abzuhalten. Ein Eklat bei den letzten Olympischen Spielen unter Präsident Jacques Rogge, etwa ein nicht auszuschließender Boykott mancher Länder, wäre ein Makel gewesen, der Rogges Amtszeit überschattet hätte. Israel versucht man indessen mit anderen Gedenkaktionen zufriedenzustellen.

So ernst man die potenzielle Terrorgefahr auch nehmen muss, so ist es doch auch eine Tatsache, dass sich die meisten Ängste, die Sportveranstaltungen seit jeher in den unterschiedlichsten Bereichen begleiten, noch selten bewahrheitet haben - ebenso wenig freilich wie die hochtrabenden Erwartungen und Hoffnungen. Erst im Vorfeld der Fußball-EM kursierten weltweit in den Medien Gräuelberichte über mögliche rassistisch motivierte Übergriffe auf Sportler oder Fans in der Ukraine. Abgesehen von unschönen Einzelaktionen und blutigen Zusammenstößen zwischen Polen und Russen am Tag ihres Spiels blieb die Lage aber weitaus weniger schlimm als befürchtet. Von der Politik des ukrainischen Präsidenten Wiktor Janukowitsch, der inhaftierten Julia Timoschenko und der darin begründeten Sorge vor gewaltsamen Demonstrationen war ohnehin keine Rede mehr, sobald der Ball lief.

Vor acht Jahren in Griechenland waren die Ängste gänzlich anderer Natur, sie galten vor allem den lange nicht fertiggestellten Olympia-Sportstätten. Die Geschichte hat gezeigt, dass Griechenland andere Sorgen hätte haben sollen.