Aktivisten strömten in Zuccotti-Park | - Polizei hatte das Nachsehen.
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New York. "Evict this, motherfuckers" ("Versucht mal, das rauszuschmeißen, ..."). Die Botschaft, so harsch sie aus dem Munde einer Handvoll Demonstranten daherkam, verfehlte ihre Wirkung nicht. Am frühen Freitagmorgen hatten sich rund 2000 Menschen am Zuccotti Park in Downtown Manhattan eingefunden, die der Polizei sichtlich Kopfzerbrechen bereiteten; denn eigentlich hätte laut deren Plan alles ganz schnell gehen sollen. Am Nachmittag zuvor hatte New Yorks Bürgermeister Michael Bloomberg bekanntgegeben, dass der Park am Rand von Ground Zero, den der harte Kern der "Occupy Wall Street"-Demonstranten seit Mitte September rund um die Uhr besetzt hält, tags darauf um Punkt sieben Uhr morgens geräumt werde, notfalls auch mit Hilfe der Exekutive.
Begründung: Die Leute würden sich widerrechtlich auf Privatgrund aufhalten (der Zuccotti Park ist zwar öffentlich, das Grundstück gehört aber der Firma Brookfield); zudem gebe es immer mehr Beschwerden der Anrainer, die Vorwürfe würden von Behinderungen der Gehwege und mangelnde Hygiene bis zu sexueller Belästigung und Drogenmissbrauch reichen.
Strategischer Fehler
Der Ansage folgte umgehend die Reaktion: Buchstäblich über Nacht verbreiteten die Aktivisten und Sympathisanten von "Occupy Wall Street" über Facebook, Twitter und andere soziale Netzwerke Aufrufe zum Widerstand gegen die Räumung, während andere den Park von allerlei Müll befreiten. Als der Tag anbrach, stand schnell fest, dass es womöglich ein strategischer Fehler Bloombergs war, die Räumung im Vorhinein bekanntgemacht zu haben. Der Park, der um diese Zeit sonst nur rund 200 Hardcore-Demonstranten beherbergt, platzte aus allen Nähten. Angesichts der schieren Masse sahen sich New Yorker Polizisten wie Rathausherren offenbar gezwungen, von der Räumung abzusehen. Von kleinen Scharmützeln abgesehen - nachdem sich nahezu alle amerikanischen Medien auf einen "Showdown" zwischen Polizei und Demonstranten eingestellt hatten, gab es praktisch keinen Winkel des Platzes, der nicht von einer Fernsehkamera erfasst wurde - deutete gegen Freitag Mittag Ortszeit alles auf eine friedliche Beilegung des Konflikts hin. "Wir haben nur eine Schlacht gewonnen, aber nicht den Krieg", lautete sinngemäß das Resümee der meisten Demonstranten.
"Historischer Tag"
Aufrufen zu spontanen "Siegesmärschen" gen Wall Street und Times Square wollte trotzdem keiner folgen. Nachdem sich die meisten Sympathisanten der Bewegung schon am frühen Vormittag verabschiedet hatten, überwog beim harten Kern die Angst, nach der Euphorie vom frühen Morgen kalt erwischt zu werden. Wie es jetzt weiter geht? Die 26-jährige Sharon Zipkowitz, eine Demonstrantin der ersten Stunde, fasst es so zusammen: "Ich weiß es nicht. Aber was ich weiß, ist, dass dieser Tag in die Geschichte eingehen wird als der Tag, an dem Michael Bloomberg und seiner Polizei ihre Grenzen aufgezeigt wurden. Und zwar auf ganz friedlichem Weg."