Bei ihrer womöglich letzten Sommer-Pressekonferenz warnt Deutschlands Kanzlerin die Bürger vor einem harten Corona-Winter.
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Berlin/Wien. Die bekannte blaue Wand in der Berliner Bundespressekonferenz fehlt nicht. Doch vieles ist anders bei Angela Merkels traditionellem Mediengespräch nach der Sommerpause. Erstmals in ihrer fast 15-jährigen Kanzlerschaft zieht sie am Freitag mit Maske zu dem Termin ein. Aufgrund der Bundestagswahl spätestens im Herbst 2021 ist es womöglich der letzte derartige Auftritt. In dem sonst brechend vollen Saal bleiben wegen strenger Abstandsregeln viele Reporterplätze frei, und die Kameraleute huschen nicht wie gewohnt pausenlos durch den Raum.
Die Corona-Pandemie dominiert nicht nur die räumlichen Gegebenheiten, sie ist auch das bestimmende Thema. Merkel unterstreicht dies gleich zu Beginn mit einem rhetorischen Ausrufezeichen. An jenem Ort, an dem sie vor fünf Jahren sagte: "Wir schaffen das", sprach sie erneut einen Satz für die Geschichtsbücher: "Das Virus ist eine demokratische Zumutung." Merkel hat die gestiegenen Infektionszahlen im Sommer "mit Sorge" verfolgt. Sie warnt, der Winter werde schwieriger als der Sommer, da sich die Bürger wieder vermehrt in Räumen aufhalten. Gleichzeitig gesteht die Kanzlerin die Unsicherheit ein: "Kein Mensch weiß, wie der Winter läuft. Wir kennen das Virus nur ansatzweise."
Drei Ziele gibt Merkel für den Corona-Herbst aus: Erstens, Bildung für die Schulkinder müsse das allerwichtigste sein. Niemand dürfe zurückgelassen werden. Um das zu vereinfachen, solle auch die digitale Ausstattung verbessert werden. Zweitens, das Wirtschaftsleben müsse am Laufen gehalten werden. Merkel will Innovationsmöglichkeiten gerade in Krisenzeiten stärken, allen voran bei der Ökologisierung der Wirtschaft. Drittens, der gesellschaftliche Zusammenhalt solle gewahrt bleiben. Die Kanzlerin erinnert daran, dass die Pandemie die Bürger ungleich belastet - sind doch Alte und sozial Schwache deutlich stärker betroffen.
Demonstrationsverbot aufgehoben
Herausforderungen und Unsicherheit zum Trotz blickt Merkel zuversichtlich in die Zukunft. Sie verweist darauf, Deutschland habe die Krise bisher gut bewältigt. Weniger Personen wurden positiv auf Covid-19 getestet, auch deutlich weniger sind mit dem Virus verstorben als in den wesentlich bevölkerungsärmeren EU-Staaten Frankreich, Italien und Spanien. Die Effizienz des Gesundheitssystems streicht Merkel hervor. Ebenso, dass die Deutschen großteils "Vernunft und Mitmenschlichkeit" gezeigt haben. "Dafür werde ich immer dankbar sein."
Eine überwältigende Mehrheit der Bürger trägt den Corona-Kurs von Kanzlerin und Bundesregierung mit, vom zeitweisen Lockdown bis zu den Abstandsregeln. Gegner orten unzulässige Eingriffe in die Grundrechte. Weil sie nicht gewillt seien, Mund-Nasen-Schutz zu tragen und Distanz zu halten, habe die Berliner Exekutive eine für Samstag geplante Großdemonstration untersagt, erklärt Polizeipräsidentin Barbara Slowik zeitgleich mit Merkels Termin. Ihr zufolge werde auch aus Teilen der rechtsextremen Szene europaweit für die Kundgebung mobilisiert.
Kurz darauf hob das Berliner Verwaltungsgericht das Demonstrationsverbot auf. Es sah 900 Ordner und 100 Deeskalationsteams als "hinreichende Vorkehrungen", damit die Kundgebung - Zehntausende Menschen sind erwartet worden - regelkonform abläuft. Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg könnte diese Entscheidung aber noch kippen. Angela Merkel kommentierte bereits tags zuvor die Aufregung um die Demonstration knapp: "Wir sind ein Rechtsstaat."