Reduktion auf 163.000 Soldaten. | Die meisten wollen Zivildienst leisten. | Berlin. Er ist jung, fesch und adelig, und die Herzen der Deutschen fliegen ihm zu: Seit einem Jahr ist der frühere Wirtschafts- und aktuelle Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg der beliebteste Politiker Deutschlands. Kein Afghanistan-Skandal kann ihm etwas anhaben, keine Streitereien in der Regierung oder in seiner Partei, der CSU. Am Wochenende jubelten ihm die Besucher des Tages der offenen Tür der Ministerien zu. | Merkel und das Stimmengewirr | Regierung gerät bei der Atomsteuer ins Schwanken
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Weniger begeistert von dem 38-Jährigen sind indes nicht nur Oppositionspolitiker, sondern auch etliche Kollegen von CDU und CSU. Denn Guttenberg rührt an einer heiligen Kuh: der Wehrpflicht. Diese soll nach den Plänen des Verteidigungsministers ausgesetzt werden, die Truppe soll von 252.000 Soldaten auf bis zu 163.500 sinken. Der Wehrdienst dauert zurzeit sechs Monate. Künftig würden junge Männer nur noch dann gemustert, wenn sie sich freiwillig dafür melden, um anschließend einen "Schnupper-Wehrdienst" von 12 bis 23 Monaten absolvieren zu können.
Denn die Bundeswehr muss sparen. Das Sparpaket von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) sieht vor, dass die Bundeswehr 8,3 Milliarden Euro bis zum Jahr 2014 weniger ausgibt als derzeit. Guttenbergs Vorschlag dürfte allerdings nur 1,5 bis 2 Milliarden Euro bringen.
Gleichzeitig soll die Bundeswehr reformiert werden: Die Zeiten des Kalten Krieges sind längst vorbei. Anstelle der Landesverteidigung sind Auslandseinsätze wichtiger geworden. "Man braucht in Europa keine Massenheere mehr", sagt Jürgen Groß vom Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Uni Hamburg.
Doch die Wehrpflicht für immer abschaffen will Guttenberg noch nicht. Er würde sich damit auch zu viele Feinde im eigenen Lager machen. Die Wehrpflicht steht in der Verfassung und hat für viele in der Union einen wichtigen symbolischen Stellenwert. Für sie garantiert die allgemeine Wehrpflicht, dass die Soldaten in der Gesellschaft verankert sind: Männer aus allen Teilen und Schichten der Republik fänden hier zusammen und würden so die Gesellschaft abbilden.
Groß kann dem so nicht zustimmen: Auch bei einem Freiwilligenheer mit Zeitsoldaten gäbe es ausreichend Austausch mit der Zivilbevölkerung, sagt er. Zudem melde sich eine überwiegende Zahl der jungen Männer nach der Musterung ohnehin für den Zivildienst. Im vergangenen Jahr gingen 60.000 zur Bundeswehr, 90.000 wurden Zivildiener.
Für den Chef der Liberalen, Vizekanzler Guido Westerwelle, sind diese Zahlen ein gutes Argument dafür, die Wehrpflicht auszusetzen: Wenn nur noch 16 Prozent der jungen Männer Dienst bei der Bundeswehr leisteten, sei dies nicht akzeptabel. Die Aussetzung der Wehrpflicht sei nicht aus Kosten-, sondern vor allem aus Gerechtigkeitsgründen geboten. CSU-Chef Horst Seehofer hält dagegen: Wer die Wehrpflicht aussetze, schaffe sie ab. "Das muss jeder wissen." Und der verteidigungspolitische Sprecher der Unionsfraktion im Parlament, Ernst-Reinhard Beck (CDU), erklärt: "Zum gegenwärtigen Zeitpunkt steht für mich ein Aussetzen nicht zur Diskussion." Denkbar sei ein solcher Schritt frühestens im nächsten Jahr, wenn nach einer ausführlichen Debatte in der Union klar sei, dass dies "die übereinstimmende Meinung in unserer Partei ist". Zentrale Frage sei: "Welche Bundeswehr brauchen wir für die Sicherheitsvorsorge unseres Landes?"
Debatte im Herbst
Groß erklärt die Abneigung für die Guttenberg-Pläne auch mit der Furcht mancher Politiker, in den Wahlkreisen Sympathien einzubüßen. Denn wenn die Truppen reduziert werden, braucht es auch weniger Standorte.
Schnell wird sich jedenfalls nichts ändern. CDU und CSU werden auf ihren Parteitagen im Herbst über die Pläne umfassender debattieren, die Kanzlerin schickt beruhigende Worte an ihre Parteifreunde: Die Wehrpflicht werde keinesfalls abgeschafft, man könne sich nur fragen, ob vielleicht ein "attraktives Freiwilligenangebot" ausreiche. Indes lässt die Familienministerin ein Modell für einen freiwilligen Zivildienst ausarbeiten. Dieser könnte wie derzeit sechs Monate lang dauern, zwölf oder achtzehn.