ÖVP droht Endlosschleife in Sachen Obmann-Debatte.
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Eines zumindest ist sicher: Die flehentliche Bitte Michael Spindeleggers, doch die öffentliche Selbstzerfleischung einzustellen, verpuffte grandios wirkungslos. Fast schon im Wochenrhythmus wird an der Autorität des ÖVP-Obmanns gesägt. Ganz vorne zuletzt immer mit dabei: Christoph Leitl, mächtiger Chef des Wirtschaftsbundes und Präsident der Wirtschaftskammer.
Ursachen für das Zerwürfnis gibt es gleich mehrere. "Mit mir wird es keine neuen Steuern geben!", gelobte Spindelegger im Nationalratswahlkampf nicht nur einmal. Die erste Gesetzesmaßnahme der neuen Regierung ist ein Steuerpaket mit höheren Tabaksteuern, höheren Getränkesteuern (Sekt) und höheren Kfz-Steuern. Für den Wirtschaftsflügel noch schmerzhafter ist die paktierte Reform der Reform der GmbH-Light, die Unternehmer schlechter stellt. Der Unmut darüber bei Leitl & Co ist enorm.
Spindelegger nimmt es zumindest nach außen hin sportlich: "Jeder Obmann hat in der ÖVP seine Debatten. Das ist wirklich nichts Neues", sagte er am Freitag im ORF-"Mittagsjournal".
Tatsächlich fühlt sich auch der Politologe Fritz Plasser an die späten 80er, frühen 90er Jahre erinnert. Es handle sich um eine "fortgeschrittene Obmanndebatte", der Autoritätsverlust von Spindelegger sei wohl "nicht mehr reparabel", so Plasser. Die Ära Spindelegger sei wohl "im Auslaufen".
Ein anderer Kritiker sagt zur "Wiener Zeitung": "Spindelegger ist angezählt." Es gehe in der ÖVP nicht mehr um reine Befindlichkeiten, sondern um handfeste Interessen. "Man kann nicht alles versprechen und nichts halten - schon gar nicht gegenüber gewichtigen Länderchefs und Interessenvertretern", so der Kritiker. Die bereits genannten Steuern zählen da ebenso dazu wie die Zusammenlegung des Wissenschafts- mit dem Wirtschaftsministerium, die Desavouierung der Steirer, die Errichtung einer Medizin-Uni in Linz - was wiederum die Steirer, Salzburger und Wiener auf den Plan ruft, die Kürzungen bei ihren Medizin-Unis befürchten. Zu all dem kommt, dass Leitl kommendes Jahr Wirtschaftskammerwahl zu schlagen hat. "Wenn die Neos bei der Wirtschaftskammerwahl in Wien antreten, war es das mit der Absoluten des Wirtschaftsbundes", sagt Politikberater Thomas Hofer. Die Neos setzen gezielt auf Wirtschaftsthemen und können der ÖVP damit bei Wahlen gefährlich viele Stimmen wegnehmen. Dass sie dazu in der Lage sind, haben sie bei der Nationalratswahl bewiesen. In den Wiener Bezirken lassen sich klare Korrelationen zwischen ÖVP-Verlusten und Neos-Gewinnen herstellen. Einer, der die Neos als Erster zu spüren bekommen könnte, ist Vorarlbergs Landeshauptmann Markus Wallner, der im Herbst Wahlen bestehen muss. In Vorarlberg schafften die Neos 13 Prozent, mancherorts sogar 40 Prozent - ein Weckruf.
Spannend wird der Wahlkalender 2015 mit Urnengängen im Burgenland, der Steiermark, Oberösterreich und Wien. Die Frage des Obmanns wird sich im Vorfeld dieser Wahlen stellen. Denn derzeit, so ist von Meinungsforschern zu hören, lässt sich ein Absturz der ÖVP in den Bundesländer-Umfragen feststellen. Zwar sind Landtagswahlen keine Nationalratswahlen, aber auch Kaliber wie Josef Pühringer können mit guten Bundespartei-Umfragen besser in die Wahlschlacht ziehen. Wenn es ums Eingemachte für die Länder geht, rückt der Obmann in weite Ferne.
Noch ist die ÖVP nicht reif für einen Obmannwechsel, es ist auch noch kein "Obmann-Killer" in Sicht. Aber es ist höchst unwahrscheinlich, dass Spindelegger die Partei in nächste Nationalratswahl anführen wird - vielleicht schon deshalb, weil er selbst genug hat.