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Angola -Chance für Wiederaufbau

Von Maria Altomonte

Politik

Am 4. April 2002 wurde im Parlament von Luanda, der Hauptstadt Angolas, ein historischer Friedensvertrag geschlossen. Die wenige Wochen andauernden Verhandlungen hatten kurz nach dem Tod des Rebellenführers Jonas Savimbi begonnen. Die beiden ehemaligen Bürgerkriegsparteien - die Streitkräfte der Regierung (die zum Großteil aus MPLA-Mitgliedern besteht) und die Militärs der UNITA - einigten sich über einen Waffenstillstand.


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Damit wurde endgültig ein Schlussstrich gezogen - nach 27 Jahren Bürgerkrieg, der bis zum Ende des kalten Krieges ein Stellvertreterkrieg mit völlig absurden Konstellationen gewesen war: so verteidigten kubanische Truppen mit sowjetischen Waffen die in Angola ansässigen US-Erdölmultis gegen die von den USA und Südafrika ausgerüsteten Rebellen der UNITA.

Doch nicht nur politische, sondern vor allem wirtschaftliche Interessen nährten den Konflikt all die Jahre hindurch. Während die Regierungspartei MPLA im Westen des Landes die gesamte Erdölproduktion kontrollierte - Angola ist nach Nigeria der zweitgrößte Rohölproduzent südlich der Sahara -, hatte Savimbis UNITA den Großteil der Diamantenproduktion in ihrer Hand. Beide Seiten verfügten daher über genug Mittel für Waffen; Lieferanten fanden sich problemlos.

Das Land ist völlig verwüstet. Bis auf die Hauptstadt Luanda und deren unmittelbare Umgebung sind weite Landstriche und Verkehrswege vermint. Die Infrastruktur wurde zer-stört. Mehr als 60 Prozent der Bevölkerung leben in tiefster Armut. Täglich verhungern Menschen, die Säuglings- und Kindersterblichkeit ist sehr hoch (jedes dritte Kind stirbt vor dem 5. Geburtstag), die Lebenserwartung ist entsprechend gering und liegt bei rund 40 Jahren. Die medizinische Versorgung ist unzulänglich, vermeidbare Todesfälle durch Unterernährung und behandelbare Infektionskrankheiten sowie Unfälle durch Landminen sind an der Tagesordnung. Es gibt 4,5 Millionen intern Vertriebene, die völlig auf fremde Unterstützung angewiesen sind, sowie Tausende Kriegsversehrte, Minenopfer und Waisen.

Endlich ist jetzt die Chance für den Wiederaufbau da. Das ehemals blühende Land - einer der weltgrößten Exporteure von Kaffee - hat enormes Potential. Auf 1,2 Mill. km² lebt eine Bevölkerung von nur etwa 12 Millionen. Verschiedene Klimazonen, gute Böden sowie reichliche Wasservorkommen bieten mehr als günstige Voraussetzungen für Land- und Forstwirtschaft, Viehzucht, Fischerei und Tourismus. Angolas Naturschönheiten brauchen keinen Vergleich mit weltberühmten Urlaubszielen zu scheuen: bizarre Felsformationen, schöne Strände und Wasserfälle - wie die "Quedas de Calandula" in der Provinz Malanje - und Wildtierparks sollen künftig Besucher anlocken. Zudem warten überreiche Rohstoffvorkommen auf Erschließung: Eisenerz, Uran, Granit, Kupfer, Gold und Quarz.

Am Tag vor der feierlichen Unterzeichnung des Friedensabkommens hielt Staatspräsident José Eduardo dos Santos eine Rede an die Nation, in der er dazu aufforderte, an den Frieden zu glauben und mit dem Wiederaufbau zu beginnen. Dass der Friedensschluss haltbar sein wird, dafür spricht, dass die Verhandlungen erstmals ohne Vermittler direkt zwischen den betroffenen Militärs unternommen wurden. Die Umsetzung der Vertragsbestimmungen wird von den Angolanern selbst kontrolliert - unter Beobachtung der UNO und von Experten der "Troika" USA, Russland und Portugal.

UNITA beabsichtigt, bei den nächsten Wahlen als politische Partei anzutreten. Erst wenn die Einquartierung der UNITA-Truppen abgeschlossen ist und freier Personenverkehr, flächendeckende Verwaltungseinrichtungen, eine neue Verfassung und Wählerverzeichnisse vorhanden sind, wird der nächste Urnengang stattfinden können.

Viele Staaten haben ihre Bereitschaft bekundet, Angola in der Anfangsphase zu unterstützen. Das Welternährungsprogramm der UNO (FAO) hat am 16. Mai in Rom mehr als 230 Mill. US-Dollar Soforthilfe für intern Vertriebene zur Verfügung gestellt; die Regierung Angolas beteiligt sich mit 67,5 Mill. Dollar an diesem Programm. Nach der Minenräumung steht die Instandsetzung der Infrastruktur an erster Stelle. Dazu gehört neben Straßen- und Brückenbau das Projekt ANGOFERRO, das den Wiederaufbau des Eisenbahnnetzes in vier Phasen vorsieht. Das Projekt wurde kürzlich einem Firmenkonsortium in Deutschland vorgestellt.

Die Hilfsorganisation "Friedensdorf International" mit Sitz in Steyr hat es sich zur Aufgabe gemacht, Kinder aus Kriegs- und Krisengebieten in Kooperation mit den "Austrian Airlines" zur Behandlung nach Österreich zu fliegen. Am 3. Mai kamen 12 Kinder aus Angola in Wien-Schwechat an und wurden in Krankenhäusern in Nieder- und Oberösterreich untergebracht, wo sie gratis operiert und versorgt werden. Viele sind durch Kriegsereignisse so traumatisiert, dass sie schwer Vertrauen fassen können. Die Partnerorganisation in Angola, die Kinder auswählt, denen in Österreich nachhaltig geholfen werden kann, möchte langfristig vor Ort die notwendige medizinische Versorgung sichern. Doch dazu fehlt es an zu Vielem: an Spitälern, Ausrüstung für Labors und Ordinationen, Geräten und an ausgebildetem Personal.

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Maria Altomonte ist Mitarbeiterin des Dokumentations- und Kooperationszentrums Südliches Afrika (SADOCC) in Wien.

Weitere Informationen unter: http://www.sadocc.at