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Warum die US-Kette Starbucks im Jahr 2017 ihre erste Filiale in Italien eröffnen will.
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Rom. Eine Bar morgens in der Via del Babuino, Rom. Kaffeetassen klappern auf dem Tresen. Giorgio, der Barmann, schäumt mit der Espressomaschine die Milch für den Cappuccino. Die Stammkundschaft nippt am Espresso. Nach ein paar Kommentaren zu den Fußballspielen vom Wochenende ist das täglich in Italien millionenfach wiederholte Ritual zu Ende.
Und jetzt soll Starbucks kommen. Das heißt, die US-Kaffeekette will Anfang 2017 ihre erste Filiale überhaupt in Italien eröffnen, in Mailand. Das erfolgreichste Kaffeeunternehmen der Welt wagt sich auf den schwierigsten, weil traditionellsten und etabliertesten Kaffeemarkt.
Barmann Giorgio ist keineswegs von dem Plan überzeugt. Getränke mit komplizierten Namen wie Iced Flavoured Latte oder Honey Blossom Macchiato will er nicht einmal aussprechen, geschweige denn trinken. "Ein Cafè ist ein Cafè", sagt er. Sollen die Amerikaner ruhig probieren, die italienische Kaffeekultur zu revolutionieren. Ein einziges Geschäft in Mailand? Diese Zaghaftigkeit, noch dazu im hohen italienischen Norden, spreche für sich.
Die Vorsicht ist auch bei Starbucks selbst erheblich. 23.000 Filialen in knapp 70 Ländern zählt das 1971 in Seattle gegründete Unternehmen. Auch in Europa hat sich Starbucks ausgebreitet, nur in Italien gibt es keine einzige Filiale, aus gutem Grund. Kaffeebars gehören zum italienischen Lebensstil und sind in beinahe jeder Straße zu finden.
Skeptiker bezweifeln, dass sich die kommerzielle Kaffeekette in jenem Land durchsetzen kann, in dem Kaffeetrinken die bedeutendste gesellschaftliche Rolle hat. "Wir maßen uns nicht an, den Italienern das Kaffeerösten beizubringen, sondern wollen unsere eigenen Erfahrungen präsentieren", sagt Firmenchef Howard Schultz. "Wir schaffen einen dritten Ort zwischen Arbeitsplatz und Zuhause."
Zurück zur Inspirationsquelle
Seit Jahren erwog Konzernchef Schultz, mit Starbucks auch nach Italien zu gehen. Hier ließ sich der heute 62-Jährige vor mehr als 30 Jahren als ehemaliger Marketing-Direktor der Firma inspirieren. Bei einem Besuch in Mailand und Verona war Schultz von der italienischen Kaffeekultur so beeindruckt, dass ihm die Idee mit einer Kaffeehaus-Kette überhaupt erst kam. Denn bis dato hatte Starbucks nur Restaurants in Seattle mit speziellen Röstmischungen beliefert. Nach seiner Rückkehr übernahm Schultz die Firma und baute sie zu einem Weltkonzern mit zuletzt 19 Milliarden Dollar Umsatz aus.
Seither sind die von Seattle bis Singapur gleichförmig und austauschbar wirkenden Starbucks-Filialen das Gegenprogramm zum familienbetriebenen Bar-Individualismus von Bozen bis Palermo.
Weil es sich um eine Expedition mit ungewissem Ausgang handelt, vertrauen sich die US-Amerikaner einem illustren Wegbereiter an, dem italienischen Ex-Fußballer und Unternehmer Antonio Percassi. Nach seiner Karriere als Verteidiger bei Atalanta Bergamo half Percassi Modemacher Luciano Benetton beim Aufbau eines Ladennetzes in der ganzen Welt. 2001 bereitete er für den Modeunternehmer und Multimilliardär Amancio Ortega die Eröffnung des ersten Megastores der spanischen Bekleidungsfirma Zara in Mailand vor. Jetzt hilft er Starbucks. "Wir sind uns bewusst, dass es sich um eine einzigartige Herausforderung handelt", sagt Percassi.
Doch wenn es an etwas in der meist formidablen italienischen Kaffeebar-Kultur fehlt, dann an unverbindlichen und einladenden Rückzugsorten zum Lesen oder Arbeiten. Der Kaffeegenuss in Italien spielt sich in Hochgeschwindigkeit ab, Tische und Stühle in den oft miniaturartigen Räumen sind eher für den raschen Verzehr gedacht, aber nicht für ein längeres Verweilen. In diese Lücke will nun die US-Kette mit großzügigen Räumlichkeiten, Sitzgelegenheiten, Tischen und Internet-Anschluss stoßen. "Starbucks ist bei Preis und Qualität des Kaffees in Italien nicht wettbewerbsfähig, sondern versucht mit der Qualität des Aufenthalts zu punkten", sagt der in Chicago lehrende italienische Ökonom Luigi Zingales. Es ist das, was Firmenchef Schultz mit dem "dritten Ort" zwischen Arbeitsplatz und Zuhause meint. Dieses Konzept fehlt bisher in Italien.
Einen unbestreitbaren Vorzug wird der erste "Starbucks" in Mailand zweifellos haben. Wer in gewöhnlichen Kaffeebars auf die Idee kommt, sein Getränk nicht im Stehen hinunterzustürzen, sondern gemütlich im Sitzen zu konsumieren, erlebt nicht selten eine böse Überraschung. Viele italienische Bars verlangen einen gesalzenen Aufpreis für den Verzehr im Sitzen.