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Angst bewegt Milliarden

Von Reinhard Göweil

Leitartikel

In der Berichterstattung über das Börsegeschehen wird der Grund von Kursschwankungen gerne genau erklärt, so als ob "die Finanzmärkte" rationalen Vorgaben folgen und die dort Beschäftigten genau wissen, was sie tun.


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Als Hohepriester der Märkte fungieren dabei "die Analysten", die für alles einen passenden Spruch haben. Nun ist es wieder soweit: "Die Finanzmärkte" rasseln in den Keller, und alle wissen - es ist wegen der Euro-Krise.

Den wahren Grund verschweigen "die Finanzmärkte": Es gibt erneut eine veritable Vertrauenskrise in die Ware Geld, die vom Zahlungsmittel zum Selbstzweck geworden ist. Viele Menschen fragen sich: Wie geht es mit ihrem Geld weiter?

Eine gefährliche Frage, gefährlicher als so manche revolutionäre Idee. Denn das Geldsystem funktioniert in einem quasi-religiösen Umfeld: Nur wenn alle an den Wert des Geldes glauben, dann sind die Papier-Fetzen jene Zahl wert, die auf ihnen gedruckt steht.

"Die Finanzmärkte" spielen daher ein waghalsiges Spiel, weil sie am Ast sägen, auf dem sie sitzen. Banken und Fonds schüren Ängste über Länder, die unter der Schuldenlast zusammenbrechen könnten. Sie verdienen Milliarden mit dieser Angst. Verlierer sind die Steuerzahler, die diese Milliarden aufbringen müssen.

Allerdings beginnen dadurch viele Menschen flächendeckend die Frage zu stellen, ob diese Schulden jemals bezahlt werden können. Wenn der Glaube ans Geld verloren geht, sind "die Finanzmärkte" allerdings ihre Existenzberechtigung los. Dann wird es niemanden mehr geben, dem sie das Geld aus der Tasche ziehen können, und die verdienten Milliarden sind nichts mehr wert.

"Die Finanzmärkte" denken weder langfristig noch verantwortungsvoll. Die Hypothekenkrise in den USA, der Zusammenbruch der Investmentbank Lehman Brothers, die Spekulation gegen Griechenland, gegen die Eurozone - all dies hat die Welt in eine Rezession gestürzt, und die droht nun erneut. Weil es in der Welt der Spekulation, die von Analysten logisch verbrämt wird, keine Grenzen gibt. Auch keine Grenzen des Anstands. Höchste Zeit für die Politik, solche Grenzen zu ziehen. Denn nur so wird die Angst verfliegen.