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Angst der Lehrer vor der Zentralmatura

Von Engelbert Washietl

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Der Autor ist Sprecher der "Initiative Qualität im Journalismus"; zuvor "Wirtschaftsblatt", "Presse" und "Salzburger Nachrichten".

Eine Koalition der Schüchternen hat sich ein Jahr Schonzeit erkämpft. Die Reifeprüfung testet nämlich nicht nur Schüler, sondern Lehrer und Schulen.


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Das Bildungssystem geht nicht daran zugrunde, dass die von Unterrichtsministerin Claudia Schmied geplante Einführung der Zentralmatura um ein Jahr verschoben werden muss. Das Bildungssystem leidet vielmehr seit Jahrzenten darunter, dass manche Lehrer und auch manche Eltern in stillschweigendem Einvernehmen Ansätze zu mehr Leistungswettbewerb verhindern. Die überstarke Lehrergewerkschaft betoniert mit Funktionärsgewalt diesen Zustand ein. Im internationalen Vergleich scheint aber das "gute Zeugnis" kein überzeugender Ausweis für die Qualität des Bildungssystems zu sein.

Wichtig ist, dass die Zentralmatura kommt und in Basisfächern Standards setzt. Diese müssten eigentlich, sobald die erste Reifeprüfung nach neuem System durch ist, Aufschluss geben, wer dem Standard entspricht. Damit befinden sich aber nicht nur die Schüler, die die Prüfung ablegen, im Leistungstest, sondern automatisch auch Schulen und möglicherweise sogar einzelne Lehrer, die mit dem Lehrplan nicht durchkommen. Es wäre ja merkwürdig, wenn in der einen Schule überwiegend gute und in der anderen überwiegend schlechte Schüler säßen. Wenn das Prüfungsergebnis aber solche Ungereimtheiten aufdeckt, dann ist die Leistung der Schule und wahrscheinlich auch des Schulsystems zu analysieren. Die Ursachen für Ausreißer können sehr unterschiedlich sein.

Schwarzweiß-Antworten wird auch die Zentralmatura nicht erlauben. Aber es wäre kontraproduktiv, würde die typisch österreichische Kunst der Vernebelung dazu führen, dass man am Ende keine Vergleiche anstellen kann oder gar nicht darf. Dass dies versucht werden wird, ist leider wahrscheinlich, und vielleicht hätten auch manche zentralen Bildungspolitiker daran Freude.

Wie man sieht, die Koalitionen wechseln. So betrachtet hat entweder niemand oder haben alle Schuld daran, dass die Zentralmatura erst 2015 starten kann. Aus der Sicht der Unterrichtsministerin hätten auch die Schulen, die mit den Vorbereitungen ins Trudeln gekommen sind, Schritt halten können. Die betreffenden Schulen sagen andererseits und vermutlich nicht zu Unrecht, dass die Richtlinien viel zu spät fertig waren. Nach irgendwas muss man sich ja richten können, wenn man fertig werden soll.

Hoffentlich raffen sich alle Beteiligten jetzt doch auf, den nächsten Starttermin mutig ins Auge zu fassen, anstatt schon jetzt zu grübeln, ob nicht auch der nächste Termin zu kurzfristig angesetzt ist.

Je länger sich die Spirale dreht (und sie dreht sich schon lang), desto mehr sollte eigentlich eine Erkenntnis in den Mittelpunkt rücken, die schon die längste Zeit und oft mit Absicht im Hintergrund gehalten wurde: Es geht um Leistung. Und die, die angesprochen sind, sollen nicht nur, sondern dürfen etwas leisten. Nämlich beweisen, dass die Umstellung zu schaffen ist und trotz einiger Anfangsschwierigkeiten zur brauchbaren Norm werden wird. Die Schüler werden den Übergang am sichersten schaffen, falls man sie nicht von oben verunsichert, sondern begleitet.