Zum Hauptinhalt springen

Angst nach neuen Unruhen in Nordirland

Von WZ-Korrespondent Peter Nonnenmacher

Politik

Mehr als 300 Notrufe in einer Nacht läuteten die jährliche brisante Feier des protestantischen Orangisten-Ordens ein.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 6 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Belfast. Schwere Unruhen in Nordirland haben diese Woche neue Angst um den Frieden in der britischen Provinz geweckt. Vielerorts kam es zu Krawallen und zu gewalttätigen Ausschreitungen. Autos und Busse wurden in Brand gesetzt und hunderte von Benzinbomben auf Feuerwehrleute und Polizisten geschleudert. Besorgt riefen die fünf größten Parteien Nordirlands in einem gemeinsamen Appell zur Ruhe auf.

Einer der schlimmsten Vorfälle, der an die finstere Zeit der blutigen "Troubles" erinnerte, ereignete sich im Städtchen Newtownards, wo sich maskierte Männer eines Busses bemächtigten, der mit Passagieren unterwegs war. Die Maskierten fuchtelten mit Schusswaffen herum. Keiner wurde verletzt, aber der Bus ging später in Flammen auf. Anderswo wurde eine Rohrbombe entdeckt.

Über 300 Notrufe verzeichnete die nordirische Feuerwehr allein in der Nacht auf Donnerstag - um ein Viertel mehr als in derselben Nacht des Vorjahres. In dieser Nacht, Nordirlands traditioneller "Bonfire Night", befand sich die ganze Provinz im Alarmzustand.

Die turmhohen Scheiterhaufen, die militante Protestanten zu dieser Zeit immer entzünden, leiten den "Zwölften Juli" ein, an dem Nordirlands Orangisten-Orden ihre großen Triumphparaden in der Provinz abhalten. Die jährlichen Feiern gelten der Erinnerung an den Sieg des Oranier-Königs William über Irlands Katholiken im Jahr 1690 am River Boyne.

Größere Scheiterhaufen

Dieses Jahr war die Lage zusätzlich brisant, weil einige Scheiterhaufen größer waren denn je - und Anwohner um die Sicherheit ihrer Häuser fürchteten. Ein Gerichtsentscheid, demzufolge die betreffenden "Bonfires" reduziert werden mussten, führte zum Einsatz der Polizei. Das löste Empörung auf (protestantisch) loyalistischer Seite aus.

Die alte Ulster Volonteer Force (UVF) drohte etwa den Ordnungshütern mit Widerstand und mit Gewaltaktionen. UVF-Leute errichteten Straßensperren, setzen Autoreifen in Brand und entwendeten Fahrzeuge, um sie abzufackeln. Passagiere im Belfaster City-Flughafen fanden sich zeitweise im Flughafen-Gebäude eingesperrt. Auch die Zufahrtsstraße zum Ulster Hospital in Dundonald war vorübergehend blockiert.

Während hinter den Aktionen der "Bonfire Night" loyalistische Gruppen - Randgruppen aus dem protestantischen Lager - steckten, war die Polizei in der Stadt Derry Anfang der Woche bereits von republikanischen Dissidenten unter Beschuss genommen worden, die sich für die Loslösung von Großbritannien einsetzen. Mehrere Schüsse aus einer Maschinenpistole wurden offenbar abgegeben.

Nordirlands Polizeipräsident Gordon McCalmont erklärte dazu, es habe sich bei dieser Attacke um einen "Mordversuch" gehandelt. "Das war ein bewusster Versuch, Polizeibeamte zu töten", sagte er. Auch "Kinder und junge Leute", die sich zu dieser Zeit in der Umgebung aufhielten, "hätten ums Leben kommen können", fügte Nordirlandministerin Karen Bradley hinzu.

Mit ihrem gemeinsamen Aufruf zu Ruhe und Ordnung suchten nordirische Parteien beider Seiten, zunehmend besorgt, die Lage zu beruhigen. Dass es seit Anfang vorigen Jahres keine Regional-Regierung mehr gibt vor Ort, weil sich Unionisten und Republikaner auf nichts einigen können, ist Teil des gegenwärtigen Problems. Es schafft ein gefährliches politisches Vakuum.

Nervosität herrscht aber auch wegen der anhaltenden Brexit-Ungewissheit in London. Die irisch-katholische Seite und viele mittelständische Protestanten fürchten, dass post Brexit erneut eine "harte Grenze" zwischen Nordirland und der Republik kommt, was neue Spannungen in Nordirland auslösen müsste. Loyalisten und Orangisten argwöhnen, dass London versuchen wird, die Grenze zur Republik offen zu halten, indem es erstmals Grenzkontrollen zwischen Nordirland und dem Rest des Vereinigten Königreichs einführt.