Mit der Billigung des Siedler-Entschädigungsgesetzes durch das israelische Parlament hat der Gaza-Rückzugsplan von Ministerpräsident Ariel Sharon eine wichtige Hürde genommen. Radikale jüdische Organisationen wollen die Räumung besetzter Gebiete aber weiterhin zu Fall bringen. Sie kündigten bereits neue Proteste an.
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Nach einer überaus hitzigen Debatte stimmte die Knesset am Mittwoch Abend in zweiter Lesung dem umstrittenen Gesetz zur Entschädigung der rund 8.000 jüdischen Siedler zu, die ab dem Sommer aus dem Gazastreifen nach Israel übersiedeln müssen. Das Votum fiel mit 59 zu 40 Stimmen bei fünf Enthaltungen relativ klar aus. Dennoch muss Sharon weiter mit massivem Widerstand rechnen. Wütende radikale Siedlergruppen hatten aus Protest gegen den Abzugsplan in Jerusalem am Abend Straßensperren errichtet und Autoreifen angezündet. Weitere Protestmaßnahmen wurden angekündigt. Der militante Gaza-Siedlerrat brachte gestern bei Gericht zudem eine Petition ein, in der gefordert wird, dass das Votum für illegal erklärt wird. Eine Abstimmung in dritter und letzter Lesung, die für Sonntag geplant ist, soll damit verhindert werden.
"Wir erkennen die Gültigkeit des Gesetzes nicht an und sind bereit, ins Gefängnis zu gehen, um einen Abzug zu verhindern", erklärte ein Vertreter des Jesha-Siederrates. Mit der Zustimmung habe das Parlament "die Werte des Zionismus und die Sicherheit Israels aufgegeben". Auch der Rat der Rabbiner von Judäa und Samaria monierte, dass der Gesetzesentwurf der Torah und dem jüdischen Recht widerspreche, das die "Vertreibung von Juden von ihrem angestammten Land" verbiete. Die Polizei verstärkte angesichts der Proteste die Sicherheitsvorkehrungen auf dem Tempelberg in Jerusalem, wie der israelische Rundfunk am Donnerstag berichtete. Es werde befürchtet, dass jüdische Extremisten die Moscheen auf dem Juden und Muslimen gleichermaßen heiligen Gelände angreifen könnten. Der frühere Polizeichef der Stadt, Arieh Amit, rief die israelische Bevölkerung auf, öffentlich Unterstützung für den Rückzug aus dem Gazastreifen zu demonstrieren. Umfragen zufolge ist eine deutliche Mehrheit für den Plan. Diese Mehrheit müsse sich zeigen und dürfe die Straße nicht einer lautstarken Minderheit überlassen, sagte Amit in einem Radio-Interview.
Zitterpartie bis zueltzt
Trotz der jüngsten Billigung des Entschädigungsgesetzes - es spricht jeder Siedlerfamilie Entschädigungszahlungen in Höhe von ungerechnet 298.560 Euro zu - muss Sharon auch im Parlament weiter mit Widerstand rechnen. Das Zentralkomitee seiner Likud-Partei will Anfang März darüber abstimmen, ob die Regierung zur Durchführung eines Referendums über den Gaza-Abzug gezwungen werden soll. Und: "Die meisten Likud-Mitglieder unterstützen den Plan eines nationalen Referendums" - wie Vorsitzender Tzachi Hanegbi gestern einräumen musste. Ebenfalls im März steht die Abstimmung über das Budget an. Die radikal-orthodoxe Shas-Partei, die aus Protest gegen den Gaza-Plan bereits einen Beitritt in Sharons Koalition verweigert hat, kündigte an, dagegen zu stimmen. Wenn die Linksopposition nicht in die Presche springt, könnte Sharon zur Ausschreibung von Neuwahlen gezwungen sein.
Keine Anklage gegen Sharon
Mit einer Anklage wegen illegaler Wahlkampffinanzierung im Jahr 1999 muss er hingegen nicht rechnen. Das Justizministerium gab gestern die Einstellung der Ermittlungen bekannt. Sein Sohn Omri wird sich in der Affäre hingegen verantworten müssen. Die Knesset muss dazu erst seine Immunität aufheben.