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Angst vor Betreten libyscher Erde

Von Michael Schmölzer

Politik

Washington und Brüssel hoffen auf friedlichen Übergang in Libyen. | USA überlassen der EU Führung | bei Aufbauarbeit. | Rebellen-Führer in Paris und Rom.


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Tripolis/Washington. Noch toben in Libyen die Kämpfe zwischen Rebellen und Gaddafi-treuen Milizen, doch die Internationale Gemeinschaft denkt bereits i hektisch darüber nach, wie es nach dem Sturz des Diktators weitergehen wird.

Die Vereinigten Staaten haben bereits klar gemacht, dass man die Führungsrolle bei der Stabilisierung und dem Aufbau Libyens anderen überlassen wird. Washington ist nach den blutigen Konflikten in Afghanistan und im Irak kriegsmüde, zudem werden die USA von einer Schuldenkrise gebeutelt. Schon bei den Nato-Luftangriffen zog man sich deshalb in die zweite Reihe zurück.

Frankreich geht voran

In den USA deuten die Verantwortlichen auf Europa: Frankreich, Italien, Großbritannien und die reichen arabischen Staaten am Golf sollen den langwierigen Transformationsprozess, der Libyen bevorsteht, finanziell und logistisch unterstützen.

Tatsächlich will die Frankreich auch in Zukunft die tonangebende Macht in Libyen sein. Nachdem die Regierung in Paris die Revolutionen in Tunesien und Ägypten verschlafen hatte, wollte der ehrgeizige Präsident Nicolas Sarkozy in Libyen von Anfang an vorne dabei sein. Am heutigen Mittwoch wird er den Außenminister der libyschen Rebellen, Mahmoud Jibril, im Elysee-Palast empfangen. Italien, dessen Ansehen in Libyen durch die „Männerfreundschaft” Gaddafis mit Premier Silvio Berlusconi gelitten hat, zieht nach: Am Donnerstag hat Jibril einen Termin bei Berlusconi, dabei soll ein alter Kooperationsvertrag reaktiviert werden.

Die Libyen-Kontaktgruppe wird am Donnerstag in Istanbul über Hilfsmaßnahmen beraten, für das Ende der Woche ist eine Libyen-Konferenz im großen Maßstab angekündigt: Teilnehmen werden Vertreter der EU, der Afrikanischen Union und der Arabischen Liga. Auch die UNO will dem befreiten Libyen in allen wichtigen Bereichen beistehen - bei der Sicherheit, dem Wiederaufbau des Landes, der Schaffung eines Rechtsstaats, dem Schreiben einer Verfassung und der Abhaltung von Wahlen.

Unterdessen wird bereits die Möglichkeit erwogen, Bodentruppen nach Libyen zu entsenden, um nach dem endgültigen militärischen Ende Gaddafis einen höchst prekären Frieden zu sichern. Aus Washington kommt auch hier ein ganz klares Nein. Man hat im Irak und in Afghanistan einen hohen Blutzoll zahlen müssen und will nicht in einen weiteren Konflikt hineingezogen werden. Berlin hat die Teilnahme an der Nato-Militäraktion zum Schutz der libyschen Zivilbevölkerung im März abgelehnt, jetzt will man einen Einsatz der Bundeswehr im Wüstenstaat immerhin nicht ausschließen: Sollte es eine Anfrage an die Bundeswehr geben, an einer Stabilisierung Libyens mitzuwirken, werde man das prüfen, so Verteidigungsminister Thomas de Maiziere. Österreich hat bereits klargemacht, dass man keine Soldaten nach Libyen schicken wird.

Bei einer Libyen-Mission kann es sich eigentlich nur um eine Blauhelm-Friedenstruppe der UNO handeln. Denn die Nato hat bekräftigt, dass der Einsatz von Bodentruppen nicht in Frage kommt. Kein Nato-Soldat werde seinen Stiefel auf libysche Erde setzen, hieß es. Das gelte jetzt und für die Zukunft. Gleichzeitig betonte das Verteidigungsbündnis, dass man weiterhin den Schutz der libyschen Zivilisten übernehmen werde. Durch den Sturm der Rebellen auf Tripolis habe sich daran nichts geändert. Das UN-Mandat, auf das sich die Nato stützt, läuft im September ab.

Prinzip Hoffnung

In den USA, der EU und der Nato hofft man inständig, dass wirtschaftliche Hilfe und Beratung der Libyer beim Aufbau demokratischer und rechtsstaatlicher Strukturen ausreichen, um das Land in eine friedliche Zukunft zu führen. In Libyen gibt es zahlreiche rivalisierende Fraktionen, die nach der Niederwerfung Gaddafis aufeinander losgehen könnten.

An Geld dürfte es den Rebellen bald nicht mehr mangeln. Die EU verfügt über knapp sieben Milliarden Euro, um den im Wandel begriffenen Staaten Nordafrikas zu helfen. Die USA könnten in den kommenden Tagen der Freigabe von bis zu 1,5 Milliarden US-Dollar an eingefrorenem libyschen Vermögen zustimmen. Auch die Schweiz könnte mehrere Millionen Dollar, die dem Gaddafi-Clan gehörten, den Rebellen übergeben.