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Angst vor dem Weiterwurschteln

Von Walter Hämmerle

Politik

Offiziere klagen über entscheidungsschwache Politik. | Grundsatzdebatte über künftige Aufgaben für Bundesheer. | Wien. Österreichs Bundesheer blickt unsicheren Zeiten entgegen. Der Spardruck stellt sämtliche Strukturen in Frage - um fast 80 Millionen Euro muss das Budget im kommenden Jahr gekürzt werden, bis 2014 beträgt diese Summe sogar 530 Millionen Euro. Gleichzeitig läuft hinter den Kulissen eine Diskussion über die Eckpunkte einer neuen Sicherheitsdoktrin, bei der es auch um die künftige Aufgabenstellung des Bundesheeres geht.


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Beide Debatten sind auf das Engste miteinander verknüpft, denn natürlich sollte man wissen, wozu und wo das Heer künftig schwerpunktmäßig eingesetzt werden soll, um zu verhindern, dass an den falschen Stellen gespart wird. Die Vorgaben der "Bundesheer-Reform 2010" helfen dabei längst nicht mehr weiter, ist diese doch aufgrund der chronischen Unterfinanzierung als unrealistisch ad acta gelegt.

Eigentlich sollte bereits Ende April ein Sparkonzept des Generalstabs vorliegen, doch auch Anfang Juni ist noch immer nicht klar, wo das Bundesheer sparen will, um die Budgetvorgaben des Finanzministers zu erfüllen.

Internationalisten gegen Territorialisten

Bei der Sicherheitsdoktrin prallen im Heer zwei Denkschulen aufeinander. Die eine will sich gemäß der neuen Gefährdungsszenarien - keine unmittelbare militärische Bedrohung Österreichs, aber Terrorismus, Failing States, Migration, nukleare Proliferation, etc. als Herausforderungen - auf Auslandseinsätze konzentrieren. Dabei soll sich Österreich gemäß seiner Rolle als neutraler Staat auf Konfliktprävention, Nachsorge und Wiederaufbau spezialisieren.

Die andere Denkschule sieht auch künftig die Territorialverteidigung als Kernaufgabe des Heeres. In diesem Fall würde das Militär auch weiterhin sämtliche Waffengattungen betreiben. Hier fürchtet man bei einer Spezialisierung nicht zuletzt den Verlust an Wissen, wie man ein vollintegriertes Heer betreibt.

"Von der Logik her sind wir im Moment völlig verkehrt herum aufgestellt", analysiert ein hochrangiger Offizier die aktuelle Situation. Eigentlich müsste man zuerst die Ziele, die das Heer erfüllen soll, vorgeben, erst dann könne man über die notwendigen Einsparungen entscheiden. Schließlich gehe es "um die Rolle Österreichs in der EU und international".

Streng genommen passiert es in Österreich genau umgekehrt: Hier ist Generalstabschef Edmund Entacher von Verteidigungsminister Norbert Darabos beauftragt, ein Sparkonzept zu erstellen, bevor noch die politische Debatte über eine neue Sicherheitdoktrin begonnen hat. "Die Politik weigert sich einfach seit Jahren, Sicherheit genauso wie Bildung oder Soziales als Kernaufgabe ernst zu nehmen", so ein frustrierter Offizier.

Warnung vor "Weiter so wie bisher"-Politik

Kein Wunder, dass man im Heer hinter vorgehaltener Hand nicht wirklich an eine konsequente Grundsatzentscheidung glauben will. "Eigentlich können wir gar nicht so weitermachen wie bisher, ich fürchte aber, dass genau das geschehen wird", sagt dazu ein hoher Beamter. Statt einer klaren Richtungsentscheidung könnte dann, so die Befürchtung, einmal mehr mit der Rasenmäher-Methode über alle Bereiche gefahren werden, um die Budgetvorgaben zu erfüllen.

Sogar ein konkretes Rechenmodell kursiert als Worst-Case-Szenario: Gespart werden könnte etwa bei den Überstunden, was zwar eine geregelte Ausbildung, nicht jedoch das Abhalten von Übungen erlauben würde, sowie bei den diversen Gehaltszulagen; beides zusammen würde rund 20 Millionen Euro bringen. Die restlichen 60 Millionen auf die Vorgabe von 80 Millionen für 2011 könnten über einen vierjährigen Aufnahmestopp aufgebracht werden.

Damit könnten, so die Befürchtungen, alle politisch relevanten Beteiligten leben: Niemand würde gekündigt und keine Waffengattung aufgelöst. Allerdings: "Das wäre der endgültige Tod des Bundesheeres, in nur wenigen Jahren könnte niemand mehr auch nur irgendetwas", so der Beamte. Er verdächtigt die politisch Verantwortlichen auf Zeit zu spielen - mit den negativen Folgen hätten sich dann die Nachfolger herumzuschlagen.

Generalstabschef Entacher hat die Hoffnung auf ein gutes Ende der Krise noch nicht aufgegeben. Seine Vision: Wenn das Bundesheer schon kein Tiger sein könne, dann wenigstens eine Wildkatze - "und wenn möglich die beste".