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Angst vor der Fahrt in den Abgrund

Von Veronika Gasser

Wirtschaft

Zwischen Null und 24 Uhr stehen heute die Motoren der 1.600 Postbusse still. Die Belegschaft wird sich zwar am Arbeitsort einfinden, doch die Busse müssen in den Garagen bleiben. Auf diese Vorgangsweise einigte sich die Gewerkschaft mit den rund 3.000 einsatzbereiten Mitarbeitern. Auslöser für diesen eintägigen Warnstreik ist der Verkauf der Postbus AG an die ÖBB und der anschließende Teilverkauf des Unternehmens. Den privaten Busbetreibern Blaguss, Dr. Richard und Sabtours wurde ein 30%-Filetstück zugesichert.


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Der Postbus-Belegschaft geht es um das Überleben eines Verkehrsunternehmens, das seinen Sanierungskurs nicht zu Ende fahren durfte. Denn schon mit dem Kauf konnten sich die übermächtigen ÖBB einen tüchtigen Konkurrenten unter den Nagel reißen. Die Belegschaftsvertretung fürchtet nun um die Zukunft des Postbusses, wenn außerdem noch die privaten Konkurrenten zum Zug kommen. "Das wäre volkswirtschaftlicher Wahnsinn, der tausende Arbeitsplätze gefährdet." Robert Wurm, Vorsitzender der Postbus-Gewerkschaft, und seine Kollegen versuchen die Zerschlagung des Unternehmens mit allen Mitteln zu verhindern.

Wurm vermutet, dass nicht wirtschaftliche, sondern rein parteipolitsche Überlegungen im Vordergrund standen. Der Gewerkschafter erinnert sich auch an ein Gespräch der Vertreter von Blaguss und Dr. Richard in der Wirtschaftskammer, an dem auch die Minister Karl-Heinz Grasser und Mathias Reichhold beteiligt waren, und bei der die Privaten den 30%-Anteil forderten: "Da sollte eine gewisse Klientel zufrieden gestellt werden." Doch es sei eine Zumutung, dem Postbus 30% seiner Arbeitsleistung wegnehmen zu wollen. Noch dazu, wo von privater Seite angedeutet wurde, dass man vor allem an den lukrativen Linien Interesse hätte. Der Gewerkschaftschef weist darauf hin, dass gerade einmal 50% aller Linien kostendeckend sind und ein Drittel davon Gewinne abwirft.

"Wir wollen der Regierung mit unserem Warnstreik die Möglichkeit einer Nachdenkpause einräumen, damit sie von diesem ruinösen Deal, der tausend Arbeitsplätze kosten wird und die öffentliche Verkehrsversorgung zerstört, Abstand nimmt." Mit diesen Worten rechtfertigt Wurm die Aktion. Und es ist die erste dieser Art in der 96-jährigen Geschichte des Traditionsunternehmens, das in den letzten acht Jahren seine Belegschaft von 6.000 auf 3.000 Mitarbeiter halbiert hat. 500.000 Fahrgäste werden das Auto oder alternative Verkehrsmittel wählen müssen.

Damit der Ärger der Kunden über die Beförderungsverweigerung nicht allzu groß ist, werben die Postbusler mit Flugblättern und Informationskampagnen um Verständnis. "Die Fahrgäste leben mit uns, und ich bin zuversichtlich, dass 98% hinter unserer Prostestaktion stehen." Besonders schade wäre es für Wurm, wenn dem Unternehmen "Postbus" sein guter Name weggenommen würde. Das Umtaufen in "Bundesbus" findet bei den Mitarbeitern kein Zustimmung. Schützenhilfe bekommt der Arbeitnehmervertreter vom Verein Fahrgast, dieser fordert ebenfalls die Marke "Postbus" beizubehalten, da sie beim Kunden gut eingeführt ist.

Die Sorge um die Postbus-Zukunft ist für Manfred Novy, Chef des Verkehrsverbundes Ostregion (VOR), durchaus berechtigt. Er hält einen Stellenabbau für durchaus wahrscheinlich - denn welchen Zweck sollte die Einbindung der Privaten sonst haben? "Gerade beim Postbus hat sich in den letzten Jahren sehr viel getan, und er wurde dadurch sogar zum Vorbild für die privaten Busse." Novy hat Verständnis für die Lage der Beschäftigten, die heute eine Auszeit nehmen, denn Busunternehmen wie Blaguss oder Dr. Richard zahlen geringere Löhne und verlangen längere Arbeitseinsätze. Die Angst vor schlechteren Arbeitsbedingungen sei berechtigt.

Auf ein interessantes Phänoment macht Christian Heschtera, Leiter des Verkehrsverbundes Kärnten aufmerksam: "Die kleinen Privaten haben mehr Angst vor Blaguss und Dr. Richard als vor einem fusionierten Bundesbus." Auch Heschtera hält wie sein Kollege Novy eine Reform des Bahnbusses für notwendig. Es wäre wichtig, die regionalen Betriebsleiter des Postbusses zu erhalten und nicht sofort durch Bahnbedienstete zu ersetzen. "Die sind das stärkste Kapital des Busunternehmens, denn sie konnten in den vergangen vier Jahren 1 Mrd. Schilling Schulden abbauen." Handlungsbedarf sieht er beispielsweise bei den Werkstätten: So gebe es beispielsweise in Kärnten 8 Hektar in bester Lage, die gar nicht genutzt werden, aber hohe Abschreibungskosten verursachen.

Vor genau 20 Jahren ereignete sich Analoges in Deutschland. Der Deutsche Postbus wurde 1982 an die Deutsche Bahn verkauft. Gemeinsam fuhren sie in den Abgrund, denn 10 Jahre später war das Busunternehmen vom Markt verschwunden. Der Verein Fahrgast hofft, dass dem heimischen Postbus ein ähnliches Schicksal erspart bleibt.