Ayatollah Ali Khamenei ist der mächtigste Mann des Iran. Noch. Als oberster Führer bestimmt er die Richtlinien der Innen-, Außen- und Sicherheitspolitik. Doch seit der umstrittenen Wiederwahl seines Schützlings, des iranischen Präsidenten Mahmoud Ahmadinejad, steht der Machtapparat kurz davor, auseinander zu brechen. Den offenen Disput zwischen Khamenei und seinem Widersacher, dem Ex-Präsidenten Ayatollah Ali Akbar Hashemi Rafsanjani, können auch offizielle Sympathiebekundungen der beiden nicht mehr kaschieren. | Seit Beginn der islamischen Revolution 1979 war noch nie so ein Bruch in der Führungselite erkennbar. Umso größer war Khameneis Ärger über die, wie er monierte, "unglückliche" Bestellung von Ahmadinejads Intimus Esfandiar Rahim Mashaei zum ersten Vizepräsidenten. Mashaei hatte es vor Monaten gewagt, die Israelis als Freunde der Iraner zu bezeichnen, und sich somit nach Ansicht der Hardliner selbst aus dem Rennen für einen so hohen Staatsposten genommen.
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In Zeiten, wo die politische Opposition und die junge Bevölkerung auf der Straße paktieren und nicht nur die Wiederholung der Präsidentschaftswahl fordern, sondern auch die Machtbasis Khameneis per se infrage stellen, braucht man keine unnötigen Querschüsse aus den eigenen Reihen. Mit der Weisung, Mashaei den Vizepräsidentenposten wieder zu entziehen, hat Khamenei Ahmadinejad klar in die Schranken gewiesen und ihm verdeutlicht, dass er nach wie vor ein Präsident von seinen Gnaden ist.
Dass Ahmadinejad sich im Laufe der Jahre von seinem Mentor emanzipiert hat und Mashaei umgehend zu seinem Bürochef hievte, wurde im Büro Khameneis nicht gerade mit Begeisterung aufgenommen.
Der oberste Führer ging aber noch einen Schritt weiter: Er forderte nicht nur vom Präsidenten Gehorsam, sondern beglückwünschte auch die Politiker, die sich gegen Mashaies Ernennung und gegen den "gesetzeswidrigen Kampf der Opposition gegen die legitime Wahl" geäußert hatten. So wundert es nicht, dass die 86 Gelehrten des Expertenrats zu Khamenei zitiert wurden, um sicherzustellen, dass Rafsanjanis Ambitionen, eine Front gegen Ahmadinejad und in weiterer Folge gegen Khamenei zu mobilisieren, im Keim erstickt werden.
Das Resultat ist ein von 50 Mullahs unterzeichnetes Schreiben an Rafsanjani, in dem sie dessen Loyalität zu Khamenei einfordern sowie die Einstellung der "Arbeit für die Opposition". Rafsanjani hat sich zwar zu Khamenei bekannt, bleibt aber bei seiner negativen Haltung zu Ahmadinejad. Bestätigt wird er dadurch, dass in dem Brief kein Wort über die Anerkennung Ahmadinejads steht. Denn es ist ein offenes Geheimnis, dass selbst der Klerus diese Wahl bei aller Rückendeckung für Khamenei mehrheitlich infrage stellt.
Siehe auch:
Interner Machtkampf im Iran eskaliert