Großbritannien-Expertin Melanie Sully im Interview über die Forderungen von Premier David Cameron.
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"Wiener Zeitung": Premier David Cameron fordert, dass es keine Benachteiligung für EU-Mitglieder geben darf, die nicht der Eurozone angehören, wie meint er das?
Melanie Sully: Die Eurozone wird in Zukunft näher zusammenrücken. Es besteht die Angst, dass sich das zu einer Art exklusiven Club entwickelt und andere benachteiligt werden. Aber es gibt auch einen aktuellen Anlass: Bei der Brückenfinanzierung für Griechenland im Sommer war ursprünglich vereinbart, dass sich Großbritannien nicht beteiligt. Dann plötzlich hieß es, dass sich alle - Euro- und Nicht-Euroländer - an der Finanzierung für Griechenland beteiligen sollten. Cameron hat da zwar letztlich ausverhandelt, dass sich der britische Steuerzahler nicht beteiligen muss, aber das Ganze hat Großbritannien dann doch etwas nervös gemacht. Umgekehrt gilt dann natürlich auch, dass wenn das Pfund unter Druck kommt, die Eurozone sagen kann, dass sie nichts damit zu tun hat.
Was hat es mit dem Vetorecht für nationale Parlamente auf sich? Wenn jeder ablehnt, was ihm gerade nicht in den Kram passt, führt das die EU doch ad absurdum.
Da ist nicht ein einzelnes Parlament gemeint, sondern Gruppen von Parlamenten der Mitgliedstaaten. Es gibt ja schon seit dem Vertrag von Lissabon die Möglichkeit, mit der sogenannten Gelben Karte die Gesetzesvorhaben der EU in Frage zu stellen. Es wurde nur nie so richtig praktiziert. Jetzt wird darüber gesprochen, dass man eine Rote Karte zeigt. - Oder auch eine Grüne Karte, die den Parlamenten Gesetzesinitiative einräumt.
Wie kommt es zum Vorschlag, dass Neuzuzügler mehrere Jahre keine Sozialleistungen erhalten sollen?
Im Prinzip geht es darum, dass jemand etwas in das System einzahlt, bevor er etwas herausnimmt. Camerons will, dass ein EU-Bürger beweist, dass er Arbeit sucht und nicht nur das bessere Sozialsystem. Das gilt aber auch für britische Bürger, und zwar in zweierlei Hinsicht. Zum einen haben sie auf dem Festland dieselbe Behandlung zu erwarten. Zum anderen gelten Briten, die im Ausland gearbeitet haben und nach Großbritannien zurückkehren, auch als neue Arbeitssuchende und müssten diese Frist ebenfalls einhalten; außer sie haben während ihrer Zeit im Ausland ihre Versicherungsbeiträge gezahlt.
Zur Person
Melanie Sully
ist britische Politologin und war Professorin an der Universität Wien. Sie ist Direktorin des Go-Governance Instituts in Wien.