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Angst vor Verrückten

Von Clemens Neuhold

Politik

Österreich gehört zur Allianz gegen die Terrororganisation IS. In diesen Ländern sind IS-Anhänger aufgerufen, als Rache wahllos Bürger zu ermorden. Wie ernst ist die Drohung zu nehmen?


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Wien. Die Dschihadistengruppe Islamischer Staat (IS) hat zur Tötung der Bürger aller Staaten aufgerufen, die sich der internationalen Koalition gegen die Organisation angeschlossen haben. Anhänger und Unterstützer von IS sollten "ungläubige Amerikaner oder Europäer - vor allem die boshaften und dreckigen Franzosen" töten, erklärte IS-Sprecher Abu Mohammed al-Adnani am Montag in einer Botschaft. Die IS-Führung ruft ihre Unterstützer also auf, ohne großen logistischen Aufwand oder eine monatelange Anschlagsplanung einfach loszugehen und den Nächstbesten auf der Straße zu überfahren oder zu erstechen.

Keine Insel der Seligen

Auch Österreich gehört seit Freitag zur Anti-IS-Allianz (siehe Seite 3). Zwar wird die Beteiligung rein politisch und nicht militärisch sein. Aber angesichts der nicht unbeträchtlichen Zahl an Austro-Dschihadisten ist Österreich "nicht ausgenommen", wenn es um diese Art der Bedrohung geht, heißt es aus dem Innenministerium. Wie ernst zu nehmen ist dieser Terroraufruf von einer Gruppe, die ihre Gewalt "massiv ausstellt", wie es der Politologe Thomas Schmidinger ausdrückt, und die ihre Propaganda auf Angst aufbaut?

"Es gibt keine erhöhte Alarmbereitschaft oder Hinweise, dass sich die Gefahr konkretisiert", sagt ein Sprecher des Innenministeriums. Schon länger unter Beobachtung stehen 60 Dschihadisten, die aus den Kampfgebieten in Syrien und dem Irak nach Österreich zurückgekehrt sind.

Sie stehen unter "abgestufter Überwachung", konkretisiert der Sprecher. Personen, von denen eine hohe Gefahr ausgeht, würden 24 Stunden überwacht - sei es vor Ort, im Internet oder am Telefon. Je geringer das Gefährdungspotenzial, desto geringer die Überwachung. Diese beschränkt sich nicht auf die 60 Rückkehrer, sondern erstreckt sich auf das weitere Umfeld der Austro-Dschihadisten. Der Bundesverfassungsschutz (BVT) wurde dafür um 20 Personen aufgestockt.

Wie schätzt Schmidinger die Gefahr durch die IS-Lizenz zum Töten ein? "Es kann einzelne Verrückte geben, die so einen Aufruf ernst nehmen und eigenhändig etwas unternehmen. Aber ich glaube nicht, dass es zu einem massiven Anstieg von Anschlägen kommt. Die Strategie scheint mir noch immer zu sein, Leute in die Kampfgebiete zu bringen."

Mehr als die Hälfte der bekannten Rückkehrer, die unter verstärkter Beobachtung stehen, hat tschetschenische Wurzeln. Die anderen sind in Österreich aufgewachsen und sozialisiert. "Vor der zweiten Gruppe hab ich wesentlich mehr Angst. Deren Hass ist auf die westliche Gesellschaft gerichtet", sagt Schmidinger. Die Tschetschenen würden im Kampf gegen den syrischen Diktator Bashar al-Assad einen Stellvertreterkrieg gegen Russland sehen (Assad wird von Putin-Russland unterstützt, Anm.).

Salafistenszene

Bei einer deutschlandweiten Razzia sind am Dienstag die Wohnungen von sieben Salafisten durchsucht worden. Diese sollen "Islamischer Staat" (IS) unterstützt haben. Es bestehe der Verdacht auf Vorbereitung einer "schweren staatsgefährdenden Gewalttat". Bei den Durchsuchungsmaßnahmen "haben 50 Ermittler zahlreiche Beweismittel wie Computer, Festplatten, CDs und USB-Sticks sichergestellt", hieß es weiter. Auch in Österreich stehen salafistische Vereine unter Beobachtung. Die ultrakonservative Randgruppe steht unter permanentem Extremismusverdacht, wendet sich aber zum Teil angewidert von den IS-Methoden ab.

Von der moderaten Mehrheit der Muslime haben am Montag 273 Moscheegemeinden "vehement jede Form von Gewalt, Terror und Missbrauch der Religion verurteilt", darunter die Türkische Islamische Union ATIB mit 64 oder die türkisch-stämmige Islamische Föderation in Wien mit 59 Moscheegemeinden.

Der türkisch-stämmige Bundesrat Efgani Dönmez, der seit Jahren recht einsam vor der Radikalisierung in Islam-Vereinen warnt, sieht diese gemeinsame Erklärung als "riesengroßen Schritt". Aber er fordert die Dachorganisation "Islamische Glaubensgemeinschaft" (IGGiÖ) auf, "offenzulegen, welche Vereine diese Erklärung nicht mitgetragen haben". Die Sprecherin der IGGiÖ war am Dienstag nicht zu erreichen.