Sorge war das Ausschlaggebende: Angst vor dem tschechischen Atomkraftwerk leitete die meisten Österreicher-Innen, als sie ihre Unterschrift unter das Volksbegehren "Veto gegen Temelín" setzten. Ihren Teil trugen auch die Äußerungen des tschechischen Ministerpräsidenten Milos Zeman bei.
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Für Herbert Krejci war es völlig klar: "Es war das unverantwortliche Spiel mit der Angst, das die Menschen bewogen hat, zu unterschreiben", stellte der Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Europapolitik fest. Diese hatte die Sozialwissenschaftliche Studiengesellschaft (SWS) damit beauftragt, während der Eintragungswoche Motive und Meinungen zum Volksbegehren zu erheben. Demnach gaben 79 Prozent an, von Angst vor dem AKW geleitet zu sein.
Doch auch die Aussagen des tschechischen Ministerpräsidenten haben in den letzten Tagen eine Rolle gespielt. Was Heinz Kienzl von der Gesellschaft für Europapolitik als "Zeman-Effekt" bezeichnete, fasste Meinungsforscher Peter Ulram in Zahlen. Zwischen 50.000 und 100.000 Unterschriften hätten die Äußerungen des Politikers gebracht. Und ohne Einsatz der "Kronenzeitung" wäre die Teilnahme bei einer halben Million gelegen, schätzt der Politologe Fritz Plasser.
Tatsächlich lag die Beteiligung "fast unsittlich nahe" an den Schätzungen Ulrams und Plassers, die vor Beginn der Eintragungswoche von 920.000 bis 970.000 Unterschriften ausgegangen seien. Geworden sind es dann 915.220. Wenig überraschend ist das deutliche Ost-West-Gefälle: Lag die Beteiligung in Ober- und Niederösterreich bei über 23 beziehungsweise knapp 17 Prozent, fand die Initiative in Vorarlberg und Tirol den geringsten Zulauf (6,7 und 8,7 Prozent).
Auch wenn sich lediglich 35 Prozent der UnterzeichnerInnen als FPÖ-AnhängerInnen deklarierten, gehen die beiden Meinungsforscher von 40 bis 45 Prozent aus. Den Anteil der SPÖ-PräferentInnen schätzen sie auf 30 bis 35, der ÖVP- und Grünen-AnhängerInnen auf 15 bis 20 und fünf bis zehn Prozent. Geschlechtsspezifische Differenzen gab es kaum.
Was Dynamik und Ausgang des Volksbegehrens anbelangt, ortet Plasser "tiefer liegende Konfliktpotentiale in der Gesellschaft". So seien "latente Ängste, Befürchtungen und Ressentiments" von den Proponenten aktiviert und von der Berichterstattung der "Krone" artikuliert worden.
Einem Teil der Unterzeichner-Innen bereitet dabei die EU-Osterweiterung generell Kopfzerbrechen. 26 Prozent der Stimmberechtigten, die diesem Prozess negativ gegenüber stehen, unterschrieben (laut SWS unterzeichneten 16 Prozent aus dem Grund).
Deutlich fielen in diesem Zusammenhang die Beurteilungen Krejcis aus. Jene Kräfte, die mit einem Veto zu Tschechiens EU-Beitritt drohen, sollten nicht an Stärke gewinnen. Denn dies könnte die Isolation Österreichs in dieser Frage vorantreiben. Den Europakurs des Landes sollte daher nicht die FPÖ vorgeben.