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Der österreichische Gesetzgeber ist in keiner Rechtsmaterie so umtriebig wie im Fremdenrecht. Alle Fremdenrechtsnovellen der vergangenen Jahre waren von Misstrauen gegenüber Menschen geprägt, die um Schutz vor Verfolgung ansuchen. Diesem Pauschalverdacht hat die SPÖ wenig entgegengesetzt. Sie hat sich vom Gemütszustand der von den Boulevardmedien scharfgemachten Wählerinnen und Wähler beeinflussen lassen und ist zu einer Angstbeißerin geworden. Auch Bundeskanzler Christian Kern will offenbar den Kurs der laufenden Verschärfung des Fremdenrechts unverändert fortführen.
Erschütternde Untergrabung von Rechten
Die Untergrabung von verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten durch die Regierungsvorlage von Innenminister Wolfgang Sobotka zum Fremdenrechtsänderungsgesetz 2017 ist erschütternd. Als Beispiele sind die ausgeweiteten Betretungsbefugnisse der Sicherheitsbehörden, die Verlängerung der Schubhaft, die erhöhten Geldstrafen bei Verstößen im Zusammenhang mit unrechtmäßigem Aufenthalt, die Einleitung eines Asylaberkennungsverfahrens schon bei Strafanklageeinbringung und der Ausschluss von Personen mit negativem Asylbescheid aus der Grundversorgung zu nennen.
In verfassungsgesetzlich gewährleiste Rechte darf nur nach einer sorgfältigen Verhältnismäßigkeitsprüfung eingegriffen werden. Die oben erwähnten Maßnahmen entbehren über weite Strecken einer sachlichen Rechtfertigung durch belastbares Zahlenmaterial oder Studienerkenntnisse. Es sind wohl Scheinlösungen, die keinen Nutzen bringen. Im Gegenteil, erhöhte Geldstrafen bei unrechtmäßigem Aufenthalt werden zu einem vermehrten Vollzug von Ersatzfreiheitsstrafen aufgrund von Uneinbringlichkeit führen, da die Betroffenen kaum finanzielle Mittel haben und Geldstrafen nicht begleichen können.
Die fremdenpolizeiliche Aufrüstung, der erhöhte Verfahrensaufwand und die vom Innenminister angestrebten Rückkehrzentren werden wohl in erheblichen staatlichen Mehrausgaben münden. Der Ausschluss von Fremden mit irregulärem Aufenthalt aus der Grundversorgung versetzt Menschen wissentlich in Notlagen und treibt sie in Obdachlosigkeit und Bettelei.
Ein Gesetz, das fast alle Experten ablehnen
Im Konsultationsverfahren zum Gesetz gaben fast alle Expertinnen und Experten ablehnende Stellungnahmen ab. Es sei inhaltlich nicht notwendig und völlig entbehrlich, so brachte es die Diakonie Österreich auf den Punkt.
Für die Sektion 8 steht außer Zweifel, dass das neue Fremdenrecht mit unseren sozialdemokratischen Grundsätzen einer besonderen Solidarität mit vertriebenen und sich in prekären Lebenssituationen befindlichen Menschen schwer zu vereinbaren ist. In einer demokratischen Gesellschaft sind diese Regelungen weder verhältnismäßig noch im Interesse der Sicherheit oder der Verhinderung von strafbaren Handlungen notwendig. Es wäre der falsche Weg, sie lediglich aus Angst davor, kommende Wahlen zu verlieren, zu beschließen.