Zum Hauptinhalt springen

Angststarre

Von Heinz Kienzl

Gastkommentare
Heinz Kienzl (93) war unter anderem Generaldirektor der Oesterreichischen Nationalbank.

Der Mahlstrom der Angst, der sich aus dem Krieg in Syrien, dem drohenden Brexit und Umweltkatastrophen speist, hat auch die politische Situation in Österreich maßgeblich beeinflusst.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 8 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Die kollektive Befindlichkeit der Österreicher ist Angst. Eindrucksvoll kann man in Fernsehsendungen mehrmals am Tag sehen, wie Kriege in der Ukraine und vor allem in Syrien Not und Elend verursachen, und auch Umweltkatastrophen beunruhigen die Österreicher.

Die Sozialwissenschaftliche Studiengesellschaft hat dazu einschlägige Fragen gestellt: Die Angst vor Krieg äußern 50 Prozent, die Angst vor Umweltkatastrophen 44 Prozent, und der angedrohte Austritt Großbritanniens aus der EU (Brexit) ist für Interessierte ebenso beunruhigend. Und wenn es noch etwas bedurft hätte, sich um ein weltweites Problem Sorgen zu machen, dann haben wir als Tüpferl auf dem i die Gefahr, dass im Herbst ein extremistischer Populist in den USA Präsident werden könnte, der eine Mauer zwischen den USA und Mexiko bauen lassen will, die die Mexikaner bezahlen sollen.

Dieser Mahlstrom der Angst hat auch die politische Situation in Österreich maßgeblich beeinflusst. Die russische Okkupation der Krim hat mit den Sanktionen im Gefolge auch unseren Fremdenverkehr betroffen, zudem ein wenig die Landwirtschaft. Und der Krieg in Syrien hat hunderttausende Flüchtlinge vertrieben, die nun Schutz in Europa suchen. Die bereits nach Österreich Gekommenen betreffen viel unmittelbarer die österreichische Bevölkerung. Der Brexit schließlich wird in der österreichischen Bevölkerung sicherlich als die geringere Belastung gesehen.

Die FPÖ hat die Angst vor Fremden zu ihrer politischen Basis gemacht, und so braucht man sich nicht zu wundern, dass die Freiheitlichen bei Wahlen und Meinungsumfragen reüssieren.

Wer eine anschauliche Erklärung dafür sucht, braucht nur an die vergangenen Gemeinderatswahlen in Oberösterreich zu denken: Die Bewohner der Dörfer und kleineren Städtchen wollten womöglich keine Flüchtlinge aufnehmen und haben daher jenen Bürgermeisterkandidaten ihre Stimmen gegeben, die ihnen am glaubwürdigsten und nachdrücklichsten versprochen haben, gegen die Aufnahme von Flüchtlingen einzutreten. Wer das nicht als Memento erkannt hat, dem ist auch nicht zu helfen.

Dem abgetretenen Kabinett von Ex-Bundeskanzler und Ex-SPÖ-Chef Werner Faymann ist freilich der Vorwurf zu machen, dass es keine gesamteuropäische konstruktive Lösung der Flüchtlingsfrage in der Europäischen Union massiv unterstützt hat.

Das Herumschieben der Flüchtlinge in Europa konnte nicht funktionieren. Die Litauer beispielsweise wollten keine Flüchtlinge - und die Flüchtlinge wollten auch gar nicht nach Litauen. Ein großes Wiederaufbauprogramm in Syrien mit der Perspektive der Heimführung der Flüchtlinge als gesamteuropäisches Programm könnte Teil einer Lösung sein. Ein solches wurde nur bisher nicht gewagt und in der Europäischen Union auch nicht massiv gefordert.