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Anhalten, Kapitalkontrolle!

Von Hermann Sileitsch

Wirtschaft

180-Grad-Wendung des Währungsfonds zu den globalen Geldströmen. | Schwellenländer wollen keine Kapitalkontrollen als Auflage für IWF-Kredite. | Washington. Je mehr, desto besser: So simpel war früher der Zugang des Internationalen Währungsfonds (IWF), wenn es um Zuflüsse ausländischen Kapitals ging. Arvind Subramanian, US-Ökonom indischer Herkunft, spricht sogar von einem "Fetisch der fremden Finanzen".


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Ob Direktinvestitionen, Kredite, Aktienkäufe - das Geld ausländischer Investoren sollte sich möglichst ungehindert den Weg zur einträglichen Veranlagung bahnen. Der Markt würde schon dafür sorgen, dass dies zum Nutzen von Investor wie Empfänger passiert.

Dieses Dogma hat sich gehörig gewandelt. Denn ausgerechnet jene Länder, die sich der Maxime rundum verschrieben hatten, litten am stärksten unter der Krise. Das wurde nicht zuletzt in Europa spürbar - die vormaligen Banken-Paradiese Island und Irland, aber auch osteuropäische Länder wie Ungarn oder baltische Staaten können davon ein Lied singen.

"Zu viel einer guten Sache"

Am deutlichsten zeigt sich der Gesinnungswandel aber beim Währungsfonds selbst: Bis zur asiatischen Finanzkrise der 1990er hatte er die Kapitalströme vorbehaltlos begrüßt und Entwicklungs- und Schwellenländern stets ins Pflichtenheft diktiert, sich für ausländisches Geld zu öffnen. Danach forderte der Fonds zwar begleitende regulierende Maßnahmen, blieb aber bei seiner grundsätzlichen positiven Tendenz.

Das ist heute anders: "Jahrzehntelang hat diese Institution Kapitalkontrollen verteufelt und jedes Land, das welche eingeführt hat, geprügelt", sagte IWF-Direktor Dominique Strauss-Kahn vor der Frühjahrstagung von Weltbank und IWF an diesem Wochenende. "Heute verfolgen wir eine pragmatischere Sicht: Diese können manchmal sinnvoll sein."

Besonders zu kämpfen haben derzeit nämlich boomende Schwellenländer wie Brasilien, Thailand oder Philippinen, deren Währungen wegen des massiven Kapitalzuflusses stark aufwerten mussten. Dazu trägt die laxe Geldpolitik der Industrieländer gehörig bei: Das exzessive Gelddruckprogramm der US-Notenbank steigere der Risikoappetit der Anleger, lasse zugleich aber die Rendite in den Industriestaaten sinken, sagte der thailändische Zentralbankchef Prasarn Trairatvorakul Ende März bei einer Rede in Bangkok. Das "heiße Geld" weiche somit auf die Rohstoffmärkte und in die Schwellenländer aus. "Kapitalzuflüsse sind positiv, aber sie haben ihren Preis", warnt Trairatvorakul.

"Zu viel einer guten Sache kann ein Problem sein", gibt auch Luiz Pereira da Silva, Vizechef der brasilianischen Notenbank, zu bedenken. Problematisch wird der Zustrom, weil der Aufwertungsdruck den Exportunternehmen schadet: Ihre Produkte werden auf dem Weltmarkt zu teuer und unverkäuflich.

Zugleich kann ein ungehinderter Geldstrom Wertpapier- und andere Finanzblasen in diesen Ländern befeuern. Das Wachstum droht zu überhitzen - was eine fatale Teuerungsspirale in Gang setzt: In China stieg die Inflation trotz heftigster politischer Bemühungen, diese in Zaum zu halten, im März auf 5,4 Prozent. Die eigentlich übliche geldpolitische Reaktion, nämlich eine Zinsanhebung, macht die Märkte aber nur noch attraktiver für Geldzuflüsse: In Brasilien ist der Leitzins schon bei 11,75 Prozent angelangt.

Obendrein wirkt Fremdfinanzierung wie eine Droge: Wenn die Spekulationsblasen bersten, brechen die Geldströme gleichzeitig mit der Kreditvergabe ein - die Realwirtschaft leidet doppelt: durch den Abschwung und durch die Finanzierungskrise. Daraus resultiert eine extrem prozyklische, also die Konjunkturphasen verstärkende, Wirkung: ein idealer Nährboden für Finanzkrisen.

Schwellenländer bremsen IWF

Die Schwellen- und Entwicklungsländer aus Asien, Afrika und Lateinamerika, welche die Gruppe der G24 bilden, begrüßten in Washington zwar den IWF-Vorschlag, einen Maßnahmenkatalog zur Zähmung von Kapitalflüssen aufzustellen. Jedes Land müsse seine Aktionen aber selbst wählen können. Der Fonds dürfe Kapitalkontrollen nicht zur Bedingung für Länder machen, die auf Hilfskredite angewiesen sind, forderte der G24-Vorsitzende Lesetja Kganyago, Chef des südafrikanischen Finanzministeriums: "In einigen Fällen kann eine geldpolitische Reaktion angemessen sein, in anderen Steuermaßnahmen, in wieder anderen die Beschränkung der Kapitalströme." Überdies möge der IWF seine Regulierungspläne auf jene Länder und Finanzzentren ausweiten, aus denen das Geld kommt, so Kganyago.