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Ankaras Eingeständnis

Von WZ-Korrespondent Frank Nordhausen

Politik

Jetzt nimmt auch die türkische Regierung zur Kenntnis, dass der Ankara-Attentäter aus der Türkei und nicht aus Syrien kommt. Die TAK-Miliz, die sich zu dem Anschlag bekannt hat, droht nun Touristen.


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Istanbul. Die Meldung war ein Paukenschlag in der Türkei: Der Selbstmordattentäter von Ankara stammt nicht aus Syrien, sondern aus der osttürkischen Stadt Van. Knapp eine Woche nach dem verheerenden Autobombenanschlag auf einen Militärkonvoi mit 29 Toten am 17. Februar hat die türkische Regierung nun eingeräumt, dass sie den mutmaßlichen Täter zunächst falsch identifiziert hatte. Die halbstaatliche Nachrichtenagentur Anadolu vermeldete die Nachricht ebenfalls als "Breaking news". Ein DNA-Test habe ergeben, dass es sich bei dem Attentäter um den 27-jährigen türkischen Staatsbürger Abdülbaki Sömer handelte.

Das Testergebnis bestätigt die Angaben der "Freiheitsfalken Kurdistans" (TAK), einer radikalen Abspaltung der verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK). Die TAK hatte sich kurz nach dem Anschlag zu der Attacke als Vergeltung für die andauernden "Massaker" der Armee in den Kurdengebieten der Türkei bekannt und dabei konkrete Angaben gemacht, die sich als zutreffend erwiesen.

Dagegen hatte Premier Ahmet Davutoglu bereits vier Stunden nach der schweren Detonation ein Mitglied der syrischen Kurdenmiliz YPG namens Salih Muhammed Neccar aus der nordsyrischen Stadt Amude der Tat bezichtigt. Der Fehler kam zustande, weil sich der Attentäter in der Türkei unter diesem Namen als Flüchtling registriert hatte. Der Abdruck eines bei der Explosion abgerissenen Fingers passte zu dieser Identität. Als Vergeltung beschießt die türkische Armee seither kurdische Stellungen in Nordsyrien mit schwerer Artillerie.

Das TAK-Bekenntnis nahmen weder die Regierung noch regierungsnahe Medien zunächst zur Kenntnis. Dass PKK und YPG eine Beteiligung strikt dementierten und die Anschuldigungen als Vorwand für einen geplanten Einmarsch der Türkei in die Kurdengebiete Nordsyriens bezeichneten, wies die Regierung zurück. Neccar habe den Anschlag "definitiv" begangen, behauptete Davutoglu. Jetzt erklärten die Behörden, dass sie erst durch den DNA-Abgleich mit dem Vater des Täters erfahren hätten, dass es sich bei Abdülbaki Sömer und Salih Neccar um dieselbe Person handele.

Auf diese Spur waren sie aber erst durch das TAK-Bekenntnis und die Tatsache gekommen, dass Sömers Vater seinen Sohn auf veröffentlichten Fotos erkannte. Die "Freiheitsfalken" hatten den Täter allerdings als Abdülkadi Sönmez bezeichnet, was die Frage aufwirft, warum sie den korrekten Namen ihres Mitglieds nicht kannten. Sömer hatte möglicherweise tatsächlich für die syrische YPG gekämpft, wie es der türkische Geheimdienst MIT darstellt.

Trotz des peinlichen Identifizierungsfehlers beharrte Davutoglu darauf, dass die YPG an dem Anschlag beteiligt gewesen sei. Es sei "kristallklar", dass die Miliz das Attentat gemeinsam mit PKK und TAK geplant und ausgeführt habe, sagte er vor Abgeordneten seiner islamisch-konservativen Regierungspartei AKP in Ankara. "Die Beweise sind laut und deutlich", sagte Davutoglu - blieb diese allerdings schuldig.

Touristen im Visier

Die YPG entstand 2012 als Ableger der türkischen Kurdenguerilla PKK. Zwar wechseln die Militanten offenbar zwischen den miteinander verbundenen Gruppierungen hin und her. Doch spricht wenig dafür, dass die syrische-kurdische YPG Sömer mit dem Anschlag beauftragte, da sie bisher keinen Grund hatte, gegen die Türkei zu kämpfen. Klar sei, dass die Regierung sich vorschnell auf eine Version festlegte, schrieb "Hürriyet"-Kolumnist Murat Yetkin. "Gab es jemanden um den Premier, der ihn bei einem so sensiblen Thema absichtlich oder unschuldig falsch informierte?"

Das Rätselraten um den Selbstmordattentäter drängte die Tatsache in den Hintergrund, dass die TAK in ihrem Bekennerschreiben mit massiven Anschlägen auf Touristen in der Türkei drohte. Der Tourismus gehöre zu den wichtigsten Finanzquellen der Regierung für den "dreckigen Krieg" gegen die Kurden, teilte die Gruppe mit. "Deshalb ist er ein bedeutsames Ziel, das wir zerstören wollen." Die Türkei werde nicht in der Lage sein, ihre Feriengäste wirksam zu schützen.