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Ankaras Tipps für Europas Türken

Von Martyna Czarnowska

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Mehmet sind Übergangsfristen egal. Dreißig Jahre lang arbeitete der Elektriker in Hannover, seine Pension verbringt er in seinem Haus an der türkischen Küste, in der Nähe von Adana. Die Wohnung bei Hannover haben er und seine Frau nicht aufgegeben: Die Sommermonate sind dort leichter zu ertragen als unter der sengenden Sonne in der Südtürkei.


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Als Mehmet in den 70er-Jahren nach Deutschland ging, war er dort willkommen. Hunderttausende türkische Gastarbeiter holten Deutschland und Österreich ins Land. Sie wurden in der Türkei angeworben und mit Bussen an ihren neuen Wohnort gebracht. Von Übergangsfristen auf dem Arbeitsmarkt war da noch keinesfalls die Rede. Die Arbeitskraft der Menschen wurde nämlich gebraucht.

Mittlerweile leben an die 3,5 Millionen Türken in Europa, die meisten in Deutschland. In Österreich sind geschätzte 200.000 zu Hause, fast jeder Vierte von ihnen hat einen österreichischen Pass.

Mittlerweile hat sich aber auch die wirtschaftliche Situation in Westeuropa geändert. Die Wirtschaft boomt längst nicht mehr, große Produktionsbetriebe verlagern ihre Fabriken teils in Niedriglohnländer, die Arbeitslosigkeit steigt. Die - meist übertriebene - Sorge vor billiger Konkurrenz durch Arbeiter aus dem Osten wächst. Sie war auch einer der Hauptgründe für Länder wie Deutschland und Österreich, Übergangsfristen für acht osteuropäische Länder zu verhängen, die vor zwei Jahren der Europäischen Union beigetreten sind. Fixiert wurde die Bedingung in den Beitrittsverträgen, die die damaligen Kandidaten mitunterschrieben haben.

Geht es nach der Regierung in Wien, wird Österreich auch türkischen Arbeitern nicht freien Zugang gewähren. Zwar sind die EU-Beitrittsverhandlungen mit Ankara in einer so frühen Phase, dass Gespräche über Übergangsfristen wohl kaum in den nächsten zehn Jahren geführt werden. Doch Bundeskanzler Wolfgang Schüssel hat bereits öfters betont: Das Land werde seinen Arbeitsmarkt nie ganz öffnen.

Auch die türkische Seite würde Übergangsfristen in Kauf nehmen, unter Umständen sogar längere als die derzeitigen, die bis zu sieben Jahre gelten. Doch dauerhafte Beschränkungen wären nicht akzeptabel, heißt es aus Diplomatenkreisen.

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Bedenken gegen permanente Sperren gibt es ebenso aus rechtlicher Sicht. Zwar hat sich Dänemark etwa dauerhafte Einschränkungen beim Kauf von Zweitwohnungen durch Ausländer ausbedungen - und das in einem Zusatzprotokoll festgehalten. Doch im Falle des Arbeitsmarktes wäre ein ganzes Kapitel ausgenommen und ein Grundprinzip der EU - die Freiheit des Binnenmarktes - rausgebrochen, erklärt Werner Schroeder, Leiter des Instituts für Europa- und Völkerrecht an der Universität Innsbruck.

Auf der anderen Seite stelle sich die Frage, ob es im EU-Recht einen festen Kern gebe, der sich dem Zugriff der Mitgliedsstaaten entziehe. Das ist laut Schroeder schwer zu beantworten. So tauche das Wort Übergangsfristen im EG-Vertrag überhaupt nicht auf. In den Beitrittsverträgen sind aber Zugangsbeschränkungen in zahlreichen Bereichen verankert.

Die Fristen laufen allerdings ab. Um diesen Automatismus zu umgehen, müsste ein einmal geschlossener Vertrag später geändert werden - was bis jetzt nicht vorgekommen ist. Oder es wird ein zweiter Beschluss gefasst.

Ausgeschlossen sind permanente Sperren auf dem Arbeitsmarkt also nicht. Ob das dann aber die Union mit ihren Grundprinzipien wäre, wie sie einst geplant war, sei zu hinterfragen, sagt Schroeder.

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Unterdessen hat die türkische Regierungspartei AKP für ihre Landsleute in der EU Ratschläge parat, wie sie die Sorgen der Europäer entkräften können. In einem Papier des Beraters von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan heißt es: "Kauft keine Häuser, kauft keine teuren Autos, gebt euer Geld für die bestmögliche Ausbildung eurer Kinder aus." Diese können sich dann umso besser integrieren - und zu einer Bereicherung für jene Länder werden, in denen sie leben.