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Anklage gegen Schergen Pol Pots

Von Klaus Huhold

Politik

Terrorherrschaft kostete etwa zwei Millionen Menschen das Leben. | Beschuldigte lebten jahrelang unbehelligt. | PhnomPenh/Wien. Ieng Sary wäre wohl eines der ersten Opfer der kambodschanischen Roten Khmer gewesen - hätte er nicht selbst zum Führungszirkel gehört. Das Regime unter der Führung Pol Pots wütete in dem südostasiatischen Land von 1975 bis 1979 und wollte Kambodscha zu einer reinen Agrargesellschaft umwandeln. Sämtliche Intellektuelle waren Feinde, das Tragen einer Brille kam einem Todesurteil gleich. Ieng gehörte zur intellektuellen Elite des Landes, er hatte in Paris studiert. Doch er war Außenminister und stand damit auf der Seite der Täter.


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Heute findet sich der mittlerweile 84-Jährige vor Gericht wieder. Das aus ausländischen und kambodschanischen Juristen bestehende Rote-Khmer-Sondertribunal hat nun Anklage gegen vier führende Ex-Kader des Pol-Pot-Regimes erhoben. Neben Ieng Sary sind dessen 78-jährige Frau, die ehemalige Ministerin für soziale Fragen Ieng Thirit, der 79-jährige Ex-Staatschef Khieu Samphan sowie der 84-jährige Ex-Chefideologe Nuon Chea angeklagt. Ihnen werden von dem Gericht in Pnom Penh Völkermord und Verbrechen gegen die Menschlichkeit zur Last gelegt.

Die vier Angeklagten hatten jahrelang unbehelligt gelebt. Sie hatten von einer Amnestie profitiert, die in den 1990er Jahren Premier Hun Sen den Roten Khmer für die Aufgabe des Guerillakampfes gewährte. Doch das Sondertribunal konnte die Amnestie aufheben.

Je näher die Anklage rückte, desto lautstärker beteuerten die Beschuldigten, von den Verbrechen der Roten Khmer nichts gewusst zu haben. "Ich war nie mehr als ein einfacher Mann, der versuchte, für sein Land seine Pflicht zu tun", schrieb etwa Khieu in einem offenen Brief an das Volk.

Staatlicher Massenmord

Dabei zählte er genau so wie die drei weiteren Angeklagten zum sogenannten Angkar, dem inneren Führungszirkel rund um den "Bruder Nummer eins" Pol Pot. Der Angkar gab die ideologische Linie vor, eine krude Mischung aus Kommunismus und paranoidem Nationalismus. Kambodscha sollte von allen ausländischen Einflüssen befreit werden. Zudem wurden die Städte geräumt, die Bevölkerung in schwarze Einheitskleidung gesteckt und zur Zwangsarbeit am Land verpflichtet. Etwa zwei von damals sieben Millionen Kambodschanern fielen dem Regime zum Opfer. Sie wurden getötet, starben an Unterernährung oder aufgrund der mangelnden medizinischen Versorgung.

Ein Gerichtssprecher bezeichnete nun die Anklage gegen die vier Schergen Pol Pots als "sehr gute Nachrichten für die Bevölkerung Kambodschas". Der Prozess könne Teil eines "Heilungsprozesses" für die Opfer sein. Doch viele Kambodschaner bezweifeln aufgrund des fortgeschrittenen Alters der Rote-Khmer-Kader, dass diese noch zu Lebzeiten verurteilt werden. Schon die Voruntersuchung hat Jahre in Anspruch genommen, auch die Gerichtsverhandlungen könnten sich hinziehen.

Das Sondertribunal war 2003 nach langen Verhandlungen zwischen der UNO und der kambodschanischen Regierung ins Leben gerufen worden und nahm drei Jahre später seine Arbeit auf. Bisher wurde erst eine Person von dem Gericht verurteilt: 35 Jahre Haft lautete der Richterspruch gegen Kaing Guek Eav, alias Duch, von denen dieser aber wegen der Untersuchungshaft nur 19 Jahre absitzen muss. Duch hatte das Foltergefängnis Tuol Sleng geleitet, in dem etwa 12.000 Menschen getötet wurden.

Weitere Anklagen wird es nicht geben. Das Mandat des Gerichts ist auf die höchsten Führungskader beschränkt, außerdem sperrt sich Premier Hun dagegen, noch weitere Verantwortliche zu verfolgen. Pol Pot starb 1998 im kambodschanischen Dschungel.